»Sollten wir das Mittelmeer nicht ›Totes Meer‹ nennen?«

Kölner Erzbischof fordert sichere Fluchtwege und legale Einreisemöglichkeiten für Geflüchtete / Innenminister will Gerettete direkt nach Afrika zurückschicken

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki findet angesichts des Ertrinkens von Tausenden Geflüchteten nur noch Worte der empörten Ratlosigkeit: »Sollten wir das Mittelmeer nicht konsequenterweise zukünftig ›Totes Meer‹ nennen?«, sagte der katholische Theologe dem domradio.de.

Woelki fordert von der Politik, endlich sichere Fluchtwege und legale Einreisemöglichkeiten einzurichten. »Wir können Kriegsflüchtlinge und Schutz- und Asylsuchende doch nicht Tag für Tag weiter ertrinken lassen.« Allein in diesem Jahr sei zahlenmäßig bereits »eine ganze Kleinstadt voller Menschen« ertrunken, sagte er mit Blick auf die rund 4.000 registrierten toten Geflüchteten. »Es wird dunkel in unserem christlichen Abendland, wenn wir all den Ertrunkenen nur noch hilflos die Augen zudrücken.«

Derweil denkt man im Bundesinnenministerium darüber nach, die im Mittelmeer gerettete Migranten möglichst direkt nach Afrika zurückzuschicken. Die Begründung des Ressorts: »Die fehlende Aussicht auf das Erreichen der europäischen Küste könnte ein Grund sein, warum die Migranten davon absehen, unter Einsatz ihres Lebens und hoher eigener finanzieller Mittel, die gefährliche Reise anzutreten«, so formulierte es eine Sprecherin von CDU-Minister Thomas de Maizière gegenüber der »Welt am Sonntag«.

Migranten, die von Libyen aus in See stechen, sollten dem Vorschlag zufolge nicht nach Libyen, sondern in ein anderes nordafrikanisches Land gebracht werden, wie zum Beispiel Tunesien oder Ägypten. Dort könnten sie ihren Asylantrag für Europa stellen. Sei dieser erfolgreich, würden sie sicher auf den Kontinent gebracht. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gibt es aber noch keine konkreten Pläne oder Gespräche auf EU-Ebene.

Die Opposition übte scharfe Kritik an den Überlegungen. »Das Innenministerium behandelt Geflüchtete wie eine ansteckende Krankheit, die man sich vom Hals halten will«, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dem Blatt. »Wer Menschen auf der Flucht schon das Recht auf ein faires Verfahren verwehrt, handelt sowohl flüchtlingspolitisch als auch rechtlich mehr als fragwürdig.« Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, sprach von einem »humanitären Skandal« und einem »weiteren Schritt zur Abschaffung des Asylrechts«. Er plädierte in der »WamS« für legale Fluchtwege in die EU. »Die Asylprüfung muss in Deutschland erfolgen, denn das Recht auf Asyl bedeutet auch, den Zugang zu rechtsstaatlichen Mitteln, das heißt zu Anwälten, Beratungsstellen und so weiter zu haben.« Agenturen/nd

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