Von Truthern und Birthern
Spencer Sunshine analysiert Querfrontbewegungen in den USA
In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich mit unorthodoxen Formen des Faschismus und Querfrontbewegungen in ihrer Heimat. Was lässt sich im US-Kontext unter diesem Begriff verstehen?
Der Begrif »Querfront« kann für vier Dinge stehen: Einmal sind das Linke, die traditionell rechte Positionen übernehmen, sowie Rechte, die klassische Positionen der Linken übernehmen. Das äußert sich meist in antisemitischen Denkmustern und verkürzter Kapitalismus- oder Imperialismuskritik. Außerdem gibt es Bewegungen, die sich als weder rechts noch links verstehen. Solche »Populisten« verstehen Politik zum Beispiel als Kampf zwischen der »Nation« und »den Bänkern« oder mobilisieren »das Volk« gegen eine vermeintliche ausländische Intervention, anstatt sich an wirklich politischen Positionen zu orientieren. Letztlich gibt es auch Formen offener politischer Organisation, in denen zunächst einmal alle willkommen geheißen werden, die deshalb aber oft Probleme mit Querfrontlern bekommen. In den Vereinigten Staaten ist Occupy Wallstreet dafür ein gutes Beispiel und, soweit ich das nachvollziehen kann, sind das auch die Mahnwachen hier in Deutschland. In den USA neigen Querfrontler fast immer dazu, Verschwörungstheorien zu vertreten. Sei es, dass Obama nicht in Amerika geboren wurde (die sogennante Birther-Bewegung), seien es Theorien über die Rolle des Zionismus oder die Erfindung der »Klima-Wandel-Lüge«. Derartige Verschwörungstheorien werden von Querfrontlern auch ins Linke Milieu importiert. Bezeichnenderweise war die Behauptung der »Truthers«, die Attacken auf das World Trade Center seien durch die USA selbst durchgeführt worden, bis zur Zeit von Obama eher im linken Spektrum prominent, sind seitdem aber eher am rechten Rand zu finden.
Spencer Sunshine ist Soziologe und politischer Aktivist. Der US-Amerikaner arbeitet bei dem progressiven Bostoner Think-Tank »Political Research Associates«. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf rechten und Querfrontbewegungen. Seit 25 Jahren ist er in verschiedenen antirassistischen Zusammenhängen aktiv. Derzeit tourt er durch Deutschland und Großbritannien und hält Vorträge über die neue Rechte in den USA. Für das »nd« sprach Johannes Kuhnert mit ihm.
Wie muss man sich die Struktur von Querfrontbewegungen in den USA vorstellen?
Das ist etwas kompliziert, denn es gibt kein Zentrum dieses Milieus. Querfronten ergeben sich an ganz verschiedenen Orten. Dabei bilden sie in den USA ein durchaus ungewöhnliches Phänomen. Anders als in Europa hat die amerikanische Rechte nie sozialstaatliche oder gar »sozialistische« Bestrebungen gehabt. Erst unter dem Deckmantel des »Third Positionism« haben Querfrontler Antikapitalismus und Umweltschutz aufgenommen und lokal sogar organisieren können - immer in Verbindung mit einer Politik strikter »Rassentrennung«.
Und wie ist das Verhältnis von Querfrontlern zur traditionellen faschistischen Rechten in den USA?
Die radikale Rechte hatte lange Zeit eine Phase der Stagnation. Die letzte Phase merklicher Expansion konnte sie zwischen den frühen Achtzigern und der Mitte der Neunziger verbuchen. Seitdem ist sie geschwächt. Gleichzeitig konnte ein steigender Antisemitismus festgestellt werden. In den neuen sozialen Bewegungen machte sich dies in der Form von Querfrontbestrebungen bemerkbar. So versuchten sogenannte nationalistische Anarchisten die Bewegung zu infiltrieren, die im Anschluss an die Proteste in Seattle 1999 entstanden war. Etwas ähnliches passierte auch in den ersten zwei Monaten von Occupy. Danach wurde das Problem aber in den Griff bekommen. Überall fehlen Formaten offener Partizipation Mechanismen, um Querfrontler effektiv auszuschließen. Mit dem Erfolg von Donald Trump erleben wir nun wieder eine neue Phase der Expansion der traditionellen Rechten, die jetzt islamophobe Standpunkte stärker für sich beansprucht, wo früher vielleicht der Antisemitismus noch eine bedeutendere Rolle hatte.
Was würde ein Sieg von Trump oder von Hillary Clinton bei den Präsidentschaftswahlen für Querfrontbewegungen bedeuten?
Trump schafft sicherlich eine intellektuelle Atmosphäre, in der diese Bewegungen gedeihen können. Verschwörungstheorien werden noch weiter zur politischen Normalität. Sollte Clinton gewinnen, wird die gesamte radikale Rechte ihre Anstrengungen verdoppeln und Clitnon wird ihnen eine perfekte Zielscheibe bieten. Gleichzeitig könnten Trump-Anhänger eine neue rechte Bewegung gründen. So oder so müssen wir mit dem Erstarken faschistischer Tendenzen in den USA rechnen.
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