Ungenormte Flucht
Uwe Kalbe über die Wartefrist für syrische Bürgerkriegsfamilien
Familiennachzug ist entscheidend für die Integration von Migranten, nicht nur von Flüchtlingen. Flüchtlinge allerdings sind umso mehr auf Familie angewiesen, je aussichtsloser ihre Lage ansonsten ist. Das Gesetz nimmt hier keine Abstufungen vor. Es ist eindeutig: Anerkannte Flüchtlinge haben einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Dies ist eine Folgerung aus Rechtsstandards, die oft und gern hochgehalten werden. Wer Abstufungen will, relativiert die zugrunde liegenden Normen. Die Bundestagsmehrheit nahm dies in Kauf, als sie den Familiennachzug für subsidiär Geschützte mit einer Wartefrist versah. Dass sie dies nicht versehentlich tat, zeigt sich in Argumenten wie diesen: Ist es nicht fahrlässig, seine Kinder allein auf die gefährliche Reise nach Deutschland zu schicken, um nachreisen zu können? Ist es nicht arglistig gegenüber dem Aufnahmeland?
Nein, das ist es nicht für jemanden, der seines und das Leben seiner Lieben in die Waagschale werfen muss, wenn es über die nächsten Schritte zu entscheiden gilt, um damit anderen zuvorzukommen, die sonst dasselbe tun. Humanität endet, wo das Moralisieren über die verzweifelten Entscheidungen von Menschen in Not beginnt, wo es ihre Demut voraussetzt, bevor es nach Hilfebedürftigkeit fragt. Es gibt keine Fluchtnormen. Es gibt nur Rechtsnormen. Die Frage ist allein: Gelten sie oder gelten sie nicht?
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