»Wisst ihr, was ich von euch halt ...

Kathrin Gerlof über mehr oder weniger dämliche Interessenvertretungen unter sozialdemokratischer Ägide

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.

... Wenn es euch net gäb, bräuchte wir auch kein Stand.« Georg Schramm beziehungsweise sein Alter Ego, der hessische Sozialdemokrat und Drucker August, hat uns schon viele verzweifelte Lacher entlockt, wenn er über die SPD räsonierte. Auch mit dieser Replik, die er auf einem Wochenmarkt den Rotariern und Lionern an ihren Werbe-Ständen mitten hinein in die Wohltätigkeitsmasken brüllte. »Dreckskapitalisten« allesamt. Als August auf der Bühne verkündete, er habe die Arbeitsgruppe »Sozialdemokraten in der SPD« gegründet und sie seien schon drei Leute, schien der Abstand zwischen Satire und Realität nicht allzu groß zu sein. Das ist zwar eine Weile her, aber hin und wieder wünscht man sich doch, es gäbe viele Arbeitsgruppen »Sozialdemokraten in der SPD« und sie verfügten über eine gewisse Deutungsmacht.

Nun, gerade hören wir Schlimmes und Schönes von der teuren Toten. Sigmar Gabriel wird zum dritten Mal Vater. Das Kind wird im Wahljahr geboren, deshalb plant der Vielleicht-Kanzlerkandidat keine Babypause. Wäre Sigmar eine Frau, bemerkte die »Süddeutsche Zeitung« zu Recht, müsste sie sich jetzt viele Fragen gefallen lassen, wie sie es denn schaffen will mit der Politik und dem Kind, wo doch das eine so viel Zeit und das andere so viel Liebe brauche. Und gestillt werden müsse ja auch noch. So aber muss er sich solchen Fragen nicht stellen. Männer können nicht stillen.

Rechtzeitig, bevor der Wahlkampf in die erste lauwarme Phase geht, schafft die teure Tote bezahlte Lobbyistengespräche ab und schaut sich nach anderen Finanzierungsquellen um. Die sogenannten »Vorwärts-Gespräche« wird es künftig nicht mehr geben. 7000 Euro zu bezahlen, um mit einem Minister oder einer Ministerin reden zu können, scheint eine lohnenswerte Ausgabe gewesen zu sein. Norbert Lammert, den viele gern als nächsten Bundespräsidenten gesehen hätten (Lammert hat erst im Jahr 2014 die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert), nannte diese Vorgehensweise der SPD, mittels Sponsoring ein wenig die klammen Kassen aufzufrischen, »selten dämlich«. Und er hat Recht. Es gibt sicher andere Wege, zu Kohle zu kommen, die dann nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Schließlich haben wir es auch der teuren Toten zu verdanken, dass Deutschland noch immer kein verbindliches und transparentes Lobbyistenregister hat. Da lässt sich also viel unter Decke halten. Man muss nur schlau sein. Selten dämlich ist aber nicht schlau.

Weniger dämlich stellte sich die teure Tote bei einem anderen Deal an, auch wenn es nun doch ein bisschen dumm gelaufen ist. Jahrelang hatten führende deutsche Banken einen Gewährsmann im seinerzeit SPD-geführten Finanzministerium sitzen. Der Maulwurf und Ex-Finanzrichter Arnold R. schrieb an Gesetzestexten mit, die es später den Banken ermöglichten, mehr als zehn Milliarden Euro Steuergeld aus der Staatskasse abzusaugen. Der damalige Finanzminister hieß Steinbrück, ein Mann, der uns immer wieder vor Augen geführt hat, wie notwendig viele Arbeitsgruppen »Sozialdemokraten in der SPD« wären. Arnold R., der fleißig an Gesetzen mitarbeitete, die später die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte Wirklichkeit werden ließen, wurde nach vier Jahren erfolgreichen Tuns im Finanzministerium beurlaubt und nahm einen Beratervertrag beim Bundesverband Deutscher Banken an. Über sein Jahressalär für diesen Vertrag in Höhe von 80 000 Euro hätte einer wie Steinbrück nur hämisch gelacht. Der bekam im Zweifelsfall 30 000 Euro nur dafür, dass er eine Rede gehalten hat und körperlich anwesend war.

Die teure Tote sollte sich für ihre Wahlkampagne 2017 Coca Cola zum Vorbild nehmen, um den Imageverlust auszugleichen. Der Hersteller des süßen Gesöffs will wassereffizentester Getränkehersteller werden und verspricht: »Jeden Tropfen, den wir nutzen, geben wir zurück.«

Das ist sogar wahr, schließlich pinkeln wir Konsumenten und -innen jeden verdammten Tropfen Cola, den wir in uns reinschütten, wieder aus.

So geht Wahrheit, liebe SPD.

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