Kiew will vor Krim Raketen abfeuern

Übungsschießen der Ukraine trifft auf russischen Protest / Zivilluftfahrt gefährdet

  • Irina Wolkowa
  • Lesedauer: 3 Min.

Als »Provokation« und »Herausforderung« für die Luftabwehr wertet Moskau das für diese Woche von der Ukraine geplante Übungsschießen mit Raketen im Schwarzen Meer. Schauplatz sind Gewässer unmittelbar vor den Küsten der Krim. Kiew betrachtet die Halbinsel als zeitweilig okkupierten Teil seines Staatsgebietes und damit auch die Zwölf-Meilen-Zone vor der Küste als eigene Territorialgewässer. Aus Moskauer Sicht sind es russische. Russlands Behörde für zivile Luftfahrt protestierte: Die Sicherheit von Passagiermaschinen sei gefährdet. Allerdings sperrte die Ukraine den Luftraum in zwei Bereichen vor Simferopol und über dem Meer am 1. und 2. Dezember.

Anlass zur Besorgnis besteht in der Tat. Ukrainische Raketentruppen hatten mit einer Boden-Luft-Rakete schon 2001 bei einer Übung im Schwarzen Meer eine Maschine der russischen Fluggesellschaft »Sibir« auf dem Rückflug von Tel Aviv nach Nowosibirsk vom Himmel geholt. Die Besatzung und alle 78 Insassen kamen ums Leben.

Ungeklärt bis heute ist auch die Schuldfrage beim Abschuss der malaysischen Boeing über den umkämpften Gebieten in der Ostukraine im Juli 2014. Russland und die Ukraine machen den jeweils anderen verantwortlich. Der Westen steht bei dem Streit zwar eher auf Seiten der Ukraine. Kiew muss sich dennoch Vorwürfe gefallen lassen, den Luftraum über den Separatisten-Gebieten für Passagierflugzeuge nicht gesperrt zu haben.

Besorgt - und das nicht nur aus sicherheitspolitischen Erwägungen - äußerten sich Experten des russischen Verteidigungsministeriums. Die meisten Raketen, über die Kiew derzeit verfüge, stammten noch aus den Beständen der Sowjetarmee. Sie seien veraltet und störanfällig, die in ukrainischen Waffenschmieden hergestellten Nachfolger unreif und ungenügend erprobt.

Staatsnahe Beobachter befürchten, die Ukraine gehe nicht auf eigene Prokura Wasser holen, sondern arbeite - mit ausdrücklicher Billigung der scheidenden Administration in Washington - einen Auftrag US-amerikanischer Geheidienste ab. Bei dem Übungsschießen sollen demnach Erkenntnisse zu technischen Parametern der russischen Luftabwehr präzisiert werden.

TV-Chefpropagandist Dmitri Kisseljow porträtierte die Ukraine im politischen Wochenrückblick des Staatsfernsehens am Sonntagabend sogar als »kalt gestellte Favoritin«, die sich mit dem Geballer erneut beim Geliebten - Washington - einschmeicheln wolle. Dadurch werde ein Option real, die bisher undenkbar war: Moskau könnte ukrainische Raketen abschießen, wenn sie den Luftraum über russischen Territorialgewässern verletzen.

»Aufmerksame Beobachtung und präzise Risikoanalyse« kündigte das Verteidigungsministerium an. Es berief sich auf eine Vorgabe des Präsidenten und Oberkommandierenden, Wladimir Putin: Neutralisierung beliebiger militärischer Bedrohungen. Dazu wurden im Sommer an der Ostküste der Krim modernste Raketen- und Flugabwehrsysteme in Stellung gebracht. Erst letzte Woche wurden bei Balaklawa in unterirdischen Silos auch Anti-Schiffs-Lenkwaffen des Typs »Utjos« stationiert. Sie können mit Kernsprengköpfen bestückt werden und haben eine Reichweite bis 350 Kilometer.

Nicht der letzte Schrei militärischer Ingenieurskunst, aber derzeit völlig ausreichend, um nicht nur die Krim, sondern Russlands gesamte Schwarzmeerküste zuverlässig zu schützen, sagen Experten. Es gäbe bereits Schiffe mit sehr guter Luftabwehr. Bulgarien Rumänien und die Türkei - nur sie dürfen als Anrainer ständig im Schwarzen Meer präsent sein - hätten sie aber nicht.

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