Haftbefehl gegen islamistischen Innentäter
Bundesamt für Verfassungsschutz hat mal wieder ein Maulwurf-Problem
Der Wirbel um den nun enttarnten 51-jährigen Mitarbeiter scheint etwas überzogen. Er ist deutscher Staatsangehörigkeit, hat spanische Wurzeln und soll schon vor Jahresfrist unbemerkt von seinem dienstlichen und privaten Umfeld zum Islam konvertiert sein. Ursprünglich hatte der Familienvater in einer Bank gearbeitet, wechselte in den geheimen Staatsdienst. Er gehörte einen Observationsteam an, das angeblich auch auf Islamisten angesetzt wurde.
Vor rund vier Wochen war das BfV dem Mann auf die Schliche gekommen. Er hatte sich unter einem Nickname in einem Chat als Anhänger des Islamischen Staates geäußert und dabei wohl auch mit dienstlichen Interna geprahlt. Dumm nur, dass er an einen verdeckten Internetrechercheur des Verfassungsschutzes geraten war. Als der Mann wohl auch über einen Anschlag auf die BfV-Zentrale in Köln-Chorweiler sinnierte, langte es. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf übernahm und ermittelt wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der versuchten Verletzung von Dienstgeheimnissen.
Der Mann, der die höchste Sicherheitsüberprüfung Ü 3 bestanden hatte, war seit April 2016 in einer untergeordneten Etage des Geheimdienstes tätig und konnte sicher nicht übermäßig viele und wichtige Geheimnisse verraten. Da hat der Verfassungsschutz in seiner 66-jährigen Geschichte schon ganz andere Schlappen hinnehmen müssen. Man erinnert sich an Otto John, den ersten Präsidenten des Amtes, der plötzlich in der DDR eine Pressekonferenz gab, um sich über die Nazivergangenheit vieler seiner Mitarbeiter zu empören. 1985 setzte sich Hansjoachim Tiedge, der im BfV für die Abwehr von DDR-Spionen verantwortlich war, in die DDR ab. Zwischen 1981 und 1990 spionierte Regierungsoberamtsrat Klaus Kuron für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit.
In Zeiten des Kalten Krieges nahm der Verfassungsschutz seine Gegner noch sehr ernst. Offenbar gilt das - trotz gegenteiliger Beteuerungen - gegenüber dem IS nicht im gleichen Maße. Dazu trägt vermutlich auch bei, dass man die Behörden des sogenannten Kalifats noch immer vor allem als Terrormiliz begreift. Möglich, dass der aktuelle Fall zu einem Mentalitätswechsel führt.
Unabhängig von dem nun entdeckten »kleinen Licht« sind aber die westlichen Dienste generell angewiesen darauf, neue Kenner der islamischen Welt, die auch entsprechende Sprachen sprechen, zu rekrutieren. Das eröffnet Möglichkeiten, um Maulwürfe einzuschleusen.
BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen gab zu, dass sein Amt wie jeder Nachrichtendienst Ziel strategischer Einschleusungsversuche ausländischer Dienste, Extremisten und Terroristen sei. »Deshalb müssen wir als Sicherheitsbehörde besonders wachsam in Bezug auf Innentäter sein.«
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