Völlig gaga, der Verkehrswegeplan

Bundestag beschließt Gesetzespaket für Infrastrukturprojekte bis 2030 / LINKE: Keine sozial-ökologische Wende in Sicht

  • Verena Kern
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Verkehrsminister Alexander Dobrindt war es eine gute Woche. Am Donnerstagabend konnte der CSU-Politiker verkünden, dass die EU-Kommission nach mehr als einjährigem Streit ihren Widerstand gegen die Pkw-Maut aufgegeben hat. Am Freitagvormittag stimmte der Bundestag nach hitziger Debatte dem Gesetzespaket zur Umsetzung seines »Bundesverkehrswegeplans 2030« zu. Alle Änderungsanträge der Opposition wurden mit den Stimmen der Großen Koalition abgelehnt.

»Das ist das größte Investitionsprogramm in der Infrastruktur, das es je gegeben hat«, feierte Dobrindt den »großen Wurf«. Schon jetzt sei Deutschland bei Infrastruktur und Logistik »das beste Land weltweit«. Mit den jetzt veranschlagten »Rekordbeträgen«, die in den kommenden 15 Jahren in Straßen, Schienen und Wasserwege fließen sollen, würden diese Stärken weiter gestärkt. »Wir machen Deutschland fit für eine Zukunft der Mobilität und Digitalisierung«, rief der Minister. Das Nadelöhr seien jetzt nicht mehr die Finanzen, sondern nur noch die Planung. Eine von Dobrindt eingesetzte Kommission soll bis zum nächsten Frühjahr Vorschläge zur Planungsbeschleunigung erarbeiten.

Ähnlich euphorisch äußerten sich in der Bundestagsdebatte alle Politiker von Union und SPD: Es sei »ein ganz großer Tag für die Verkehrspolitik«, ein »Feiertag für ganz Deutschland«. Der Verkehrswegeplan sei »gelebte Wirtschaftspolitik«, er stehe für »Mobilität und Modernität«, nun habe die Bauwirtschaft gut zu tun.

Entsprechend gab es denn vom Bundesverband der Deutschen Industrie großes Lob. Auch der Verband der Automobilindustrie freute sich: Der Plan setze »richtige Akzente«, er mache den Verkehr »flüssiger und sicherer« und sorge für »weniger Staus und CO2«.

Rund 270 Milliarden Euro, so sieht es der Bundesverkehrswegeplan vor, sollen bis 2030 für Deutschlands Transportwege ausgegeben werden. Pro Jahr sind das 18 Milliarden Euro. Ungefähr jeweils zur Hälfte sollen die Mittel den Fernstraßen und Autobahnen sowie Schienen- und Wasserwegen zugute kommen. Grundsätzlich soll Erhalt vor Neubau gehen. »Wir bringen Ökonomie und Ökologie zusammen«, sagte Dobrindt. Für die Schiene sei die Planung besonders vorteilhaft, schließlich entfielen auf sie nur 17 Prozent der Verkehrswege in Deutschland, während sie 42 Prozent der Mittel erhalten soll.

Die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger forderte indes, dass 60 Prozent der Mittel in die Schiene investiert werden sollten, um anspruchsvollen Umweltzielen gerecht zu werden. Auch Umweltverbände und die Opposition sind mit dem Dobrindt-Plan nicht zufrieden. Er stelle die Weichen falsch und leiste keinen Beitrag zu der benötigten Verkehrswende, so die Kritik. Klimaschutz sei Fehlanzeige. Das Verkehrsaufkommen in Deutschland sei längst viel zu hoch, sagte Sabine Leidig von der Linksfraktion. Mit Dobrindts Plan werde das auch so bleiben. Ein »Einstieg in einen sozial-ökologischen Verkehr« finde nicht statt.

Valerie Wilms von den Grünen sprach von »Betonwahn«. Der Fraktionschef ihrer Partei, Anton Hofreiter, hatte gar einen Beschwerdebrief an Kanzlerin Merkel (CDU) geschickt - Tenor: Der Verkehrswegeplan ignoriere fast alles, was in Sachen Klima- und Umweltschutz je vereinbart wurde. Dobrindt konterte mit dem Vorwurf, die Grünen seien schon immer eine »straßenfeindliche Entmobilisierungspartei« gewesen.

Die Mittelaufteilung ist indes nicht der einzige Kritikpunkt. In dem Plan werden zwar über 1000 Projekte aufgelistet. In welcher Reihenfolge bzw. ob sie jedoch auch umgesetzt werden, hängt davon ab, als wie dringlich sie eingestuft wurden. Dabei habe es »massive Manipulationen« gegeben, warf der Umweltverband BUND dem Verkehrsministerium vor. »Milliarden sollen in gefälligkeitsdemokratisch über die Republik verteilte, überflüssige Autobahnprojekte und in städtebaulich fragwürdige Ortsumfahrungen fließen«, schimpfte BUND-Chef Hubert Weiger. Das sei rechtswidrig und klimapolitisch fahrlässig.

Laut dem Naturschutzbund NABU wurden »überhöhte Verkehrsprognosen« den Planungen zugrunde gelegt. Alternativen seien oft gar nicht geprüft worden. Das widerspreche den Zielen zu Klimaschutz und Flächenverbrauch.

Die Grünen halten den Bundesverkehrswegeplan schon jetzt für »gescheitert«. Ein solches »Mammutprojekt« sei ein »Instrument der Vergangenheit« und »völlig gaga«. In Zukunft müsse man in kleineren Schritten planen und alle paar Jahre nachjustieren, statt in 15-Jahres-Spannen zu denken.

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