Paris: Jedes zweite Auto musste stehen bleiben

Alternierendes Fahrverbot in der Frankreichs Hauptstadt und 22 Gemeinden wegen starker Luftverschmutzung

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Dienstag durften in Paris und 22 unmittelbar angrenzenden Städten nur die Hälfte der Autos fahren. Das hatte die Polizeipräfektur wegen der extrem hohen Belastung der Luft durch Feinstaub und Stickstoffdioxid verfügt. Im Gegenzug konnten die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos benutzt werden, was die Behörden pro Tag vier Millionen Euro kostet.

Das alternierende Fahrverbot richtete sich nach dem Nummernschild: fahren durften am 6. Dezember nur Autos mit gerader Nummer. Wird die Maßnahme verlängert, gilt das am Mittwoch für die ungeraden Nummern. Vom alternierenden Fahrverbot ausgenommen sind Linienbusse, Taxis, Krankenwagen, Fahrschulautos, Kühllastwagen mit frischen Lebensmitteln und Autos, die mit drei oder mehr Personen besetzt sind.

Das entsprechende Gesetz gibt es seit 20 Jahren, doch bisher wurde es erst dreimal wirksam und jedes Mal - 1997, 2014 und 2015 - jeweils nur für einen Tag. Die Polizei hat in Paris und am Stadtrand 140 Kontrollpunkte eingerichtet. Bei Verstößen drohte eine Geldstrafe von 35 Euro und sogar die Stilllegung des Autos an Ort und Stelle.

Um die Verhängung des Fahrverbots gab es seit Tagen eine scharfe Auseinandersetzung zwischen Anne Hidalgo, der Bürgermeisterin von Paris, und dem Polizeipräfekten Michel Cadot. Der hat sich strikt an das Gesetz gehalten, das ein alternierendes Fahrverbot vorsieht, wenn die erlaubte Obergrenze der Luftbelastung an vier aufeinander folgenden Tagen überschritten wird. Dies war punktuell schon seit einer Woche der Fall, aber in einer sägezahnartigen Kurve. Der Bürgermeisterin zufolge wird das Gesetz »nicht den Realitäten gerecht«. Doch diese Polemik wird ab Mitte Januar gegenstandslos sein, denn dann tritt eine neue Regelung in Kraft, mit der alte Autos, deren Abgase besonders viele Schadstoffe enthalten, anhand einer neu eingeführten Umweltplakette aus der Stadt ferngehalten werden sollen. Die Farben der Plaketten und damit der Grad der Fahrbeschränkungen, die jährlich verschärft werden sollen, sind abgestuft und richten sich nach Baujahr und Typ der Autos und ob sie einen Benzin- oder Dieselmotor haben.

So will Bürgermeisterin Hidalgo ab 2025 sämtliche Lastwagen und Personenautos mit Dieselmotor aus der Stadt verbannen. Die rot-grüne Stadtverwaltung betreibt ganz offen eine Politik, »den Parisern das Autofahren zu verleiden und sie so zu veranlassen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen«, räumt der Vizebürgermeister für Verkehr, Christophe Najdovski von der Partei der Grünen, ein. Das zeigt schon Erfolge, denn während im Landesmaßstab 85 Prozent aller Haushalte ein Auto besitzen, sind es in Paris nur noch 50 Prozent. Um diesen Anteil weiter zu drücken, werden laufend Parkplätze liquidiert.

Bis Ende 2017 soll für die Hälfte und ab 2020 für 90 Prozent aller Straßen in Paris die Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt werden. Die Vorschrift, die für Neubauten in der Stadt einen Tiefgaragenplatz pro Wohnung vorschrieb, wurde abgeschafft. Außerdem liefert sich die Stadtverwaltung einen mit allen Mitteln der Justiz ausgetragenen Krieg gegen Anwohner, die die Sperrung der quer durch Paris führende Schnellstraße am rechten Ufer der Seine und ihre Umwandlung in eine »Flanier- und Erlebniszone« anfechten, weil das mit gigantischen Staus auf den angrenzenden und entsprechend überlasteten Straßen verbunden ist.

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