Amazon-MitarbeiterInnen campen vor ihrem Arbeitsplatz
US-Versandriese sieht sich mit wachsender Kritik angesichts miserabler Arbeitsbedingungen konfrontiert
Berlin. Mitten im Weihnachtsgeschäft kommt das Online-Versandhaus Amazon nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Wie die schottische Tageszeitung »The Courier« berichtet, sollen mehrere Amazon-MitarbeiterInnen in Zelten vor dem Unternehmensgelände übernachten. Dem Bericht nach stünden die Zelte in einem Wald vor den Lagerhallen im schottischen Dunfermline, nahe Edinburgh, weil sich die Betroffenen das tägliche Pendeln nicht leisten könnten. Zwar gebe es einen Bus, der von Amazon zur Verfügung gestellt würde, dieser muss allerdings bezahlt werden.
Bereits in der vergangenen Woche geriet der schottische Amazon-Ableger in die Kritik, als AktivistInnen offenlegten, dass MitarbeiterInnen des Onlineversandhauses bis zu 60 Stunden pro Woche arbeiten müssten, aber nur knapp oberhalb des Mindestlohns (7,20 Pfund, derzeit umgerechnet rund 8,50 Euro) bezahlt würden.
Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe äußerten sich sowohl Labour, als auch SNP-Politiker zur Sachlage. Es könne nicht sein, dass Angestellte bei dieser Jahreszeit draußen campieren müssten, um ihren Job zu sichern, wird Douglas Chapman, Lokalpolitiker der Scotish National Party (SNP), zitiert. Der Labour-Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im britischen Unterhaus, Iain Wright, kündigte Untersuchungen in dem Fall an.
Politische Unterstützung, die sich Amazon-MitarbeiterInnen in Deutschland derzeit nur wünschen können. Derzeit bestreiken mehrere hundert MitarbeiterInnen zwei Standorte des Versandriesen im nordrhein-westfälischen Rheinberg und in Werne. Damit wollen die Beschäftigten den Konzern nach Angaben der Gewerkschaft ver.di »zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zwingen«.
Seit mehreren Jahren kämpfen GewerkschafterInnen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen beim Onlineversandhändler sowie gegen die gesundheitlichen Risiken und für eine Tarifbindung nach den Konditionen des Einzel- und Versandhandels, was das US-amerikanische Unternehmen seit jeher vehement ablehnt. Amazon sieht sich selbst als Logistikunternehmen und bezahlt seine Angestellten dementsprechend.
Ein Unding, findet ver.di-Sprecher Tim Schmidt. Allein die Tatsache, dass Amazon bislang keinerlei Anstalten gemacht habe, um Gespräche mit den Streikenden aufzunehmen, verurteilte Schmidt gegenüber »nd« scharf. »Sowas klärt man normalerweise am Verhandlungstisch. Sich komplett zu entziehen, ist kein guter Umgang, insbesondere angesichts unserer gewachsenen Kultur der Mitbestimmung hier in Deutschland.«
Trotzdem bewertet er die Maßnahmen der letzten Jahre als zunehmend erfolgreicher. »Immer wenn wir von außen Druck gemacht haben, hat sich Amazon ein kleines Stück bewegt«, so Schmidt mit Blick auf die unlängst bewilligte Erhöhung des Weihnachtsgeldes.
Die Streikmaßnahmen mit rund 250 TeilnehmerInnen allein in Rheinberg am vergangenen Wochenende bewertete er ebenfalls als vielversprechend. Zudem gebe es erste Auswirkungen entgegen der offiziellen Behauptung Amazons, dass das Weihnachtsgeschäft bislang von den Aktionen unberührt weiterlaufe. So seien derzeit die Lieferzeiten einiger Produkte leicht nach oben korrigiert. Zudem wurden zum Wochenanfang Überstunden für die derzeit rund 4.500 Kräfte starke Belegschaft angekündigt.
Bis zum Ende der Spätschicht am Dienstag will ver.di weiter streiken. »Wir rechnen damit, nochmal mindestens doppelt so viele Kolleginnen und Kollegen rauszuholen, wie am Wochenende«, so der Sprecher.
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