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Pol Pot auf der Spur

Kambodschanischer Ort Anlong Veng setzt auf »Rote-Khmer-Tourismus«

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 4 Min.

Rote-Khmer-Tyrann Pol Pot wollte Kambodscha in ein agrarisches, kommunistisches Utopia verwandeln, in dem Markt und Geld verboten waren. Jetzt erhebt sich nur wenige Schritte von Pol Pots Grab in Anlong Veng auf dem Kamm des Dangrek-Bergzugs an der Grenze zu Thailand das neue Sangam Resort und Kasino. Welch eine Ironie der Geschichte.

1,7 Millionen Menschen kamen während des vierjährigen Terrorregimes von Pol Pot ums Leben. Nach ihrer Vertreibung aus Phnom Penh im Januar 1979 durch die vietnamesische Armee führten die Roten Khmer aus ihrer letzten Hochburg im Nordwesten Kambodschas mit Anlong Veng als einer Art Hauptstadt noch fast 20 Jahre lang einen Guerillakrieg. Bis heute leben dort Familien ehemaliger Rote-Khmer-Granden, sehen mit Zorn und Unverständnis den Prozess gegen die letzten noch lebenden Führungskader Nuon Chea und Khieu Samphan vor dem Tribunal in Phnom Penh.

Zwar kapitulierten im Dezember 1998 nach dem Tod von Pol Pot die letzten Kämpfer der Roten Khmer. Anders als das nur 120 Kilometer entfernte Siem Reap als Tor zu den Tempeln von Angkor aber ist das hauptsächlich von der Landwirtschaft lebende Anlong Veng bis heute ein verschlafenes Nest.

Kambodschaner sind gastfreundlich. In Anlong Veng ist das irgendwie anders. Die Älteren zumindest begegnen Fremden ernst, verschlossen, misstrauisch. Das Jungvolk ist schon offener. »Hello, how are you?« und »Where are you from?«, rufen die Teenager Besuchern zu und freuen sich wie Bolle über Antworten.

Aber auch unter so manchen Jungen herrscht Rote-Khmer-Nostalgie. Der Held für Jung und Alt ist Rote-Khmer-General Ta Mok, auch bekannt als »Der Schlächter«. Diesen gruseligen Beinamen hatte sich der einbeinige Ta Mok als Leiter der blutigen Säuberungsaktionen im Demokratischen Kampuchea der Roten Khmer erworben.

In Anlong Veng entmachtete der Killer-Kommandeur Pol Pot und mutierte zum fürsorglichen Landesvater. Einen See ließ er zur Wasserversorgung anlegen, baute ein Krankenhaus und eine Schule, bis er im März 1999 von der kambodschanischen Armee verhaftet und 2006 in einem Gefängnis in Phnom Penh starb.

Im Schatten eines Baums auf dem Seegrundstück des ehemaligen Anwesens von Ta Mok trinken einige junge Burschen Whisky, machen den am Seeufer spazierenden Mädels schöne Augen, begrüßen den Besucher mit einem freundlichen »Hello«. Sie zeigen auf das Holzhaus und sagen strahlend »Ta Mok good man.« Das Ta-Mok-Haus ist eine der Stationen des neuen Rote-Khmer-Tourismus in Anlong Veng, der 2016 als Gemeinschaftsprojekt des Tourismusministeriums, des Dokumentationszentrums Kambodscha und des deutschen Zivilen Friedensdienstes ins Leben gerufen wurde. Mittelpunkt ist das »Anlong Veng Peace Center«, das laut seinem Direktor Sok-Kheang Ly zur Versöhnung beitragen soll. »Wir Kambodschaner müssen uns kennenlernen. Es muss mit dem ›Die und Wir‹ Schluss sein.«

Abgesehen von ein paar bescheidenen Hotels, dem Geldautomaten der Acleda Bank und dem Lucky Supermarkt samt Café mit Klimaanlage und kostenlosem WLAN ist die touristische Infrastruktur Anlong Vengs nahe Null. Am Kreisverkehr im Zentrum von Anlong Veng, in dessen Mitte goldene Hirsche vor der von einer weißen Friedenstaube gekrönten Pyramide prangen, lauern Mopedtaxifahrer auf Kundschaft. Zum Preis von 15 Dollar bieten sie halbtägige Rundfahrten zu den weit verstreut liegenden vierzehn Khmer-Rouge-Attraktionen wie einer ehemaligen Munitionsfabrik, dem prachtvollen, im Stil der königlichen Angkortempel gestalteten Grab von Ta Mok und der schäbigen letzten Ruhestätte Pol Pots an.

Distriktgouverneur Virak Yuth setzt große Hoffnung in den Rote-Khmer-Tourismus. Wichtig für die touristische Entwicklung, so Yuth beim Gespräch in der düsteren Empfangshalle seines Amtssitzes, sei aber auch der Ausbau des nahen kambodschanisch-thailändischen Grenzübergangs. Über den sollen in Zukunft nicht mehr nur spielwütige Thais zum Kasino fahren, sondern auch andere Touristen strömen. »Auf dem Weg zu Angkor Wat können sie für ein, zwei Tage in Anlong Veng Station machen. Wir haben ein großes touristisches Potenzial«, betont der 45-Jährige, dessen Vater als Offizier der Armee von General Lon Nol von den Roten Khmer ermordet wurde.

Bei aller Rote-Khmer-Nostalgie - eine Gesellschaft ohne Geld wünscht sich in Anlong Veng niemand zurück. Im Gegenteil. Für einen Blick auf das Grab von Pol Pot verlangt ein mürrischer Khmer satte zwei Dollar. Wenn das Pol Pot wüsste.

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