Stasi verfolgt Andrej Holm weiter
Eine offizielle Überprüfung soll die Rolle des designierten Staatssekretärs klären
»Ich kann meine Biografie nicht verändern - nur daraus lernen und einen offenen Umgang damit anbieten«, twitterte Andrej Holm am Montagvormittag. Diesen Dienstag soll er offiziell zum Wohn-Staatssekretär unter der neuen Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) ernannt werden, zumindest ist das der Plan. Nach der überraschenden Nominierung des Stadtsoziologen für das Amt in der vergangenen Woche entspann sich eine Debatte über dessen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR.
Das war insofern überraschend, als Holm bereits 2007 in einem Interview mit der »taz« offen über seine im September 1989 begonnene Offiziersausbildung im Wachregiment Feliks Dzierzynski gesprochen hatte. CDU, FDP und AfD schäumen seit Tagen ob der Personalie.
Bereits 1985, mit 14 Jahren, wurde laut der von der »BZ« in Auszügen veröffentlichten Kaderakte die berufliche Laufbahn Richtung Stasi fixiert. Der aus linientreuem Elternhaus stammende Holm - sein Vater arbeitete auch für das MfS - unterzeichnete am 24. Juni 1985 die Bereitschaftserklärung, nach abgeschlossenem Schulbesuch eine Offizierslaufbahn bei der Staatssicherheit einzuschlagen. Das sei damals »kein Widerspruch« für ihn gewesen, bekannte Holm am Wochenende auf dem Landesparteitag der LINKEN. »Ich bin einer der extrem erleichtert war, dass die DDR zusammengebrochen ist«, sagt er auch. Damit war auch seine Stasi-Karriere bereits Ende Januar 1990 - mit 19 Jahren - wieder beendet. Die Linkspartei zeigte sich am Wochenende solidarisch mit Holm.
Senatorin Katrin Lompscher hat derweil eine sogenannte Regelüberprüfung des Staatssekretärskandidaten angekündigt. »Da es sich um einen kurzen Zeitraum handelt, hoffen wir, dass es schnell geht«, sagte Lompscher der »Berliner Zeitung«.
Am Montag forderte die CDU-Fraktion den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) in einem Brief auf, Andrej Holm nicht auf den Posten zu berufen. Der Personalvorschlag sei »in keiner Weise akzeptabel«, heißt es in dem Schreiben. Der »Geschichtsvergessenheit« dürfe kein Raum gegeben werden.
Innerhalb der Koalition hält sich die Kritik an der Personalie in Grenzen. »Zu Herrn Holm ist derzeit alles gesagt«, sagt Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. »Wir haben zur Kenntnis genommen, dass er sich bereits in der Vergangenheit offen und selbstkritisch mit seiner Biografie und seiner Entscheidung als Jugendlicher auseinandergesetzt hat.« Nun gelte es die Überprüfung abzuwarten.
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) verteidigt Holm. Ihm und der neuen Landesregierung ein Stasi-Problem vorzuwerfen, sei »einigermaßen unanständig« und unchristlich, sagte Thierse der »Berliner Zeitung« »Was ein 18-Jähriger am Ende der DDR getan hat, sollte durch seine 26-jährige berufliche und politische Biografie im gemeinsamen Deutschland abgegolten und erledigt sein«, so Thierse.
Bisher gebe es keine Signale, dass Holm am Dienstag nicht ernannt würde, heißt es übereinstimmend aus mehreren Quellen.
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