Eilverfahren für den Frieden in Kolumbien

Verfassungsgericht in Bogotá genehmigte beschleunigte Gesetzgebung

  • David Graaff, Medellin
  • Lesedauer: 2 Min.

»Kolumbianer, die Waffen haben euch die Unabhängigkeit gegeben, die Gesetze werden euch die Freiheit bringen.« So prangt es in großen Lettern über dem Portal des Justizpalastes in der Hauptstadt Bogotá. Dort urteilten am Dienstag die obersten Verfassungshüter nach mehreren Sitzungen über den Frieden in Kolumbien. Zu entscheiden war, ob der Kongress die für die Umsetzung der Vereinbarung zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung notwendigen Gesetze und Verfassungsreformen in einem Schnellverfahren beschließen darf. Zudem werden Präsident Santos Sondervollmachten eingeräumt. Die Entscheidung war notwendig geworden, nachdem der Friedensvertrag in einem Volksentscheid durchgefallen und ein überarbeitetes Abkommen vor zwei Wochen lediglich vom Kongress ratifiziert worden war.

An erster Stelle steht nun der Entscheid über das Amnestiegesetz, auf das die FARC seit Monaten warten. Damit soll jener Großteil der Rebellen amnestiert werden, die keine Menschenrechtsverbrechen begangen haben. Am Wochenende hatten die FARC trotz juristischer Unklarheit mit den Truppenbewegungen begonnen. Innerhalb von 180 Tagen muss der von der UNO begleitete Demobilisierungsprozess beendet sein; alle rund 6000 Kämpfer müssen sich innerhalb von 30 Tagen in eine der 27 Sonderzonen begeben.

Die mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts beendete juristische Hängepartie galt als enormes Sicherheitsrisiko. Medien und Lokalpolitiker berichteten in einigen Regionen bereits von ersten Deserteuren. FARC-Chef Timoleon Jimenez, der immer öfter unter seinem zivilen Namen Rodrigo Londono, auftritt, twitterte, mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts mache Kolumbien einen weiteren Schritt zum Frieden. Für Sorgenfalten bei Rebellen, linken Politikern und sozialen Bewegungen sorgen indes weiter das Auftreten paramilitärischer Gruppen in ehemals von den FARC kontrollierten Gebieten sowie die andauernden Morde an sozialen Aktivisten, insbesondere Angehörigem der linken Sammelbewegung Marcha Patriotica, die den FARC nahesteht.

In vielen Landesteilen erhalten Aktivisten Morddrohungen. Gerade wurde eines ihrer Mitglieder in der Gemeinde Puerto Asis getötet; laut der Menschenrechtsorganisation »Somos Defensores« wurden in diesem Jahr schon 77 Aktivisten ermordet. Die Behörden könnten hinter diesen Morden aber nach wie vor keine Systematik erkennen, so der Generalstaatsanwalt in einer Kongressanhörung.

Unterdessen haben die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos in Brüssel die Auflegung eines Treuhandfonds in Höhe von 95 Millionen Euro vereinbart. Ein Großteil der Gelder soll in die landwirtschaftliche Entwicklung fließen - ein zentraler Punkt der Friedensvereinbarung mit der kleinbäuerlich geprägten FARC. Die meisten Mittel stammen mit 72 Millionen Euro aus dem EU-Budget; Deutschland steuert 1,5 Millionen Euro bei. Berlin hatte bereits vor zwei Jahren eigene Entwicklungshilfe von über 300 Millionen Euro zugesagt. So wird der Aufbau einer Deutsch-Kolumbianischen Einrichtung mit dem Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung gefördert.

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