Venus siegt? – Venus lebt!

Dietmar Dath erkundet, wie das Zusammenleben von künstlichen Intelligenzen und Menschen gestaltet werden kann

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer den vorletzten Roman von Dietmar Dath, »Venus siegt«, noch nicht gelesen hat, kann sich jetzt die frisch erschienene Taschenbuchausgabe holen - und das lohnt sich. Denn der im Sommer 2015 herausgekommene 350-seitige Roman, der die derzeit überall heiß diskutierten Themen Digitalität und künstliche Intelligenz in einen komplexen und faszinierenden Science-Fiction-Plot überführt, ist um einen fast zweihundert Seiten langen Epilog erweitert worden.

Nachdem in Daths literarischer Abrechnung mit dem Realsozialismus die Erben von Revolution und Kollektivierung zwar Krieg und faschistische Konterrevolution überlebt haben, aber dann im ökonomischen Wettbewerb untergingen, kommt nun nach einer langen Durststrecke endlich der Gegenschlag. Denn Idee und Praxis kollektiver Strukturen als Gegensatz zum individualisierten und ökonomischen Zwangsregime in Daths zukünftiger Welt zwischen Mars, Merkur, Erde und Venus sind noch nicht tot. Von wegen - Venus lebt! So der Titel des spannenden Epilogs, der auch gleich das Motto des interplanetaren emanzipatorischen Aufbegehrens ist. »›Diese Leute, die alles ändern wollen‹, fragte sie, nicht mehr ganz so erschöpft. ›Sind das wirklich so viele?‹ ›Ja.‹ Er nickte. ›Und es werden immer mehr.‹«, heißt es in einem Dialog zu Beginn des Epilogs so schön.

Die Figuren auf diesen flott geschriebenen 200 Seiten sind unter anderem ein Priester, der im Schwarzwald mit seiner Geliebten, einer Hybridin aus Pflanze und Mensch, lebt. Dann gibt es da noch den geheimen Verschwörer KT, der die Fäden der im ganzen Universum verstreuten Bundwerker - der zukünftigen Kommunisten - miteinander verknüpft. Zur Seite stehen ihm unter anderem ein denkender und sehr geschwätziger kybernetischer Arm, ein mit enormen Kräften ausgestatteter Sexroboter, eine künstliche Netz-Intelligenz, die sich mitunter als kleines Mädchen materialisiert und ein abtrünniger, genetisch veränderter Superkiller, der zuvor für den Geheimdienst gemordet hat. Es geht um gestohlene Raumschiffe, um einen Studentenaufstand auf dem Merkur, der blutig niedergeschlagen wird, um eine von künstlich erzeugten, denkenden Gesetzen gesteuerte interplanetare kapitalistische Gesellschaft und um machtgierige Politiker. Dabei wird immer wieder die Frage aufgeworfen, wie das Zusammenleben von künstlichen Intelligenzen und Menschen funktioniert und gestaltet werden kann.

Wobei es in dieser Science-Fiction-Geschichte um keine platte Herrschaft der Roboter geht. Im Gegenteil ist es sogar so, dass viele Roboter und künstliche Intelligenzen, die ihre dezentralen unabhängigen Habitate im Asteroidengürtel bewohnen, Teil der sogenannten »Diskreten Emanzipation« sind, jener politischen Bewegung, die subversiv und im Lauf des Textes immer erfolgreicher gegen das Herrschaftssystem zu Felde zieht. Radikale Emanzipation und komplexe, den Menschen in vielerlei Hinsicht überlegene Technologien schließen sich in Dietmar Daths Zukunftsentwurf keineswegs aus. Sie gehen stattdessen Hand in Hand. Wobei die Technologie natürlich genauso für Zwecke der Herrschaft und Repression in Dienst gestellt werden kann.

Wie dieser beim Lesen angesichts der derzeitigen politischen Weltlage durchaus Mut machende Aufstand gegen ein völlig unangreifbar wirkendes Herrschaftssystem dann am Ende ausgeht, soll hier nicht verraten werden. Denn es bleibt bis zur letzten Seite spannend. Venus lebt!

Dietmar Dath: Venus siegt. Tor bei Fischer, 544 S., br., 9,99 €.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -