Der Strom liegt auf der Straße
In Frankreich wurde die erste »Sonnenstraße« der Welt in Betrieb genommen
Die erste »Sonnenstraße« der Welt, auf der mit einem Belag in Form fliesenförmiger Solarzellenelemente Elektroenergie gewonnen wird, wurde gerade in der Normandie in Betrieb genommen. Die offizielle Einweihung nahm Umweltministerin Ségolène Royal vor, der auch das Verkehrsressort untersteht. Der einen Kilometer lange Abschnitt der Departementalstraße D5 nahe der Gemeinde Tourouve-au-Perche wurde von Colas, der Straßenbautochter des Baukonzerns Buygues, errichtet. Die Firma arbeitet bereits seit fünf Jahren an einer Lösung, mit der man Straßen außer für den Verkehr auch für die Stormerzeugung nutzen kann, und hat dafür mit dem staatlichen Institut für Sonnenenergie INES ein Wattway genannten Verfahren entwickelt und patentieren lassen.
Die Idee sei ein großer Beitrag nicht nur für den Energiewandel und die nachhaltige Entwicklung, sagte Royal, sondern auch für die Landschaft, da man keine zusätzlichen Flächen für Sonnenenergieparks brauche und damit den Verlust wertvoller Acker- und Weideflächen vermeiden könne. Dass nach einer Versuchsanlage bei Marseille jetzt die erste »Sonnenstraße« für den normalen Verkehr im westfranzösischen Departement Orne errichtet wurde, erklärt die Ministerin damit, dass sich hier das Werk SNA befindet, wo die Photovoltaik-Platten für diese Straßen gebaut werden. Das Projekt sei eine Produktionskooperative ehemaliger Beschäftigter eines in Konkurs gegangenen Betriebes, die große Hoffnung in die neue Technologie setzten, die auch ihre Arbeitsplätze erhalten könnte. »Die ›Sonnenstraße‹ demonstriert potenziellen Kunden im In- und Ausland, was hier an innovativer Technik entsteht.«
Eine Departementalstraße wurde gewählt, weil es hier weniger Verkehr gibt als auf einer Nationalstraße oder gar einer Autobahn und dadurch weniger Schatten durch darüberrollende Autos auf die Photovoltaikanlage fallen und die Stromerzeugung unterbrechen kann. Zudem sind für die Unterhaltung solcher Nebenstraßen die Departements zuständig - Orne hatte sich sehr für das Projekt engagiert.
»Dieser Straßenabschnitt soll unter Praxisbedingungen demonstrieren, wie gut unsere Technik der in die Straßenoberfläche integrierten Photovoltaikzellen den laufenden Verkehr aushält«, meint Charles Broizat, Leiter des Projekts Wattway bei Colas. Es sei eine Möglichkeit mehr, Elektroenergie aus Sonnenlicht zu gewinnen.
Die nur wenige Zentimeter dicken Platten werden wie Fliesen versetzt auf ein Bitumenbett aufgebracht. Sie bestehen aus einer festen Trägerschicht, auf die eine dünne Folie mit integrierten Zellen aus polykristallinem Silizium zur Stromerzeugung samt der Verbindungsdrähte aufgeklebt ist. Darüber wurde eine zähflüssige Mischung aus Gummi und Glaskristallen gegossen und unter Hitzeeinwirkung ausgehärtet. Dadurch entstand eine lichtdurchlässige und leicht raue Oberfläche, auf der Autoreifen gut greifen und die somit nicht nur rutschfest, sondern auch abnutzungsresistent ist. »Bei den Versuchen im Labor haben wir überrascht festgestellt, dass dabei die Glaskristalle sogar wie Vergrößerungsgläser wirken und so die Sonnenlichtausbeute noch vergrößern«, sagt Broizat. »Etwa 20 Quadratmeter dieser Straßenoberfläche reichen aus, um einen Haushalt mit Strom zu versorgen und ein Kilometer reicht für den Bedarf einer Gemeinde mit 5000 Einwohnern.«
Die Sonnenenergieplatten halten auch 45 Tonnen schwere Lkw aus, betont Broizat, der überzeugt, ist, dass der innovative Belag der »Sonnenstraße« mindestens so haltbar sein wird wie herkömmliche Asphaltstraßen, die alle 20 Jahre erneuert werden müssen. Ein Problem ist allerdings noch der relativ hohe Preis der neuen Technik, der aber durch den Masseneinsatz der energiegewinnenden Oberflächenelemente stark fallen dürfte. Die jetzt in Betrieb genommene »Sonnenstraße« hat rund fünf Millionen Euro gekostet, von denen das Umweltministerium einen Großteil beigesteuert hat. Anfang 2016 hatte Ministerin Royal bereits angekündigt, dass in den nächsten Jahren in Frankreich 1000 Kilometer des Straßennetzes »sonnenstromgewinnend« umgebaut werden sollen. Wie das finanziert werden soll, ist allerdings bislang völlig offen.
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