Auf den Spuren des Klimawandels
Nadelwurf, Jahresringe, Feuchtigkeit, Schadstoffe - Sachsens Wald wird auf acht Spezialflächen ständig beobachtet
Ausfallen darf Günther Böhme nicht. Regelmäßig fährt er von seinem Haus in Sachsengrund im sächsischen Vogtlandkreis in ein nahe gelegenes Waldstück. Bei Schnee wird der Weg extra von einem Schneepflug geräumt. »Bei den gemessenen Daten darf es keine Lücke geben«, sagt der 67-Jährige.
Eigentlich ist der Forstwirt im Ruhestand. Seit vier Jahren kümmert er sich dennoch um die südwestlichste und älteste Beobachtungsfläche in Sachsen, die oberhalb von Sachsengrund liegt und auf der der Waldzustand seit 1993 kontinuierlich untersucht wird. Sie nennt sich nach dem ehemaligen Forstbezirk »Klingenthal«. Insgesamt gibt es im Freistaat acht solcher Stationen, in ganz Europa sind es rund 300. Die eingezäunte Fläche mit Fichtenbestand umfasst 22 Hektar, auf ihr stehen unterschiedlich große Behälter für Niederschläge und Nadelstreu. »In diesen setzen sich auch die Schadstoffe ab«, so Böhme. Proben des Wassers schickt er nach Graupa (Landkreis Sächsische Schweiz- Osterzgebirge). Im dortigen Kompetenzzentrum für Wald und Forstwirtschaft des Staatsbetriebes Sachsenforst wird es auf Belastungen untersucht.
In Graupa laufen alle sächsischen Messdaten zusammen. Auch Böhmes Tabellen kommen hier an, in denen er die monatlich abgeworfene Nadeln und die Bodenfeuchte registriert - und sein entnommenes Erdbodenwasser. »In der Erde befinden sich Schläuche. Schlecht, wenn eine Maus daran nagt«, erklärt Böhme. Auf der Fläche steht zusätzlich eine funkgesteuerte Wetterstation, die Messwerte nach Graupa sendet. Dort erklärt der zuständige Referatsleiter Henning Andreae: »Die Auswirkungen des Klimawandels sind nachweisbar.« Der Temperaturanstieg der letzten 20 Jahre liege bei einem Grad Celsius. Die Probleme würden sich verändern: In den 1990er Jahren habe der »Böhmische Nebel« mit seiner Schadstoffluft aus Tschechien die südsächsischen Wälder krank gemacht. »Inzwischen wirken strengere Umweltvorschriften.« Nun sorgt sich Andreae eher wegen der Belastung durch Stickstoff, hervorgerufen etwa durch Abgase. »Trotz aller Bemühungen - alle Stationen melden, dass mehr vorhanden ist, als die Waldökosysteme langfristig vertragen.«
Noch würden die Pflanzen das mit Wachstumsschüben kompensieren. »Wir sehen die größeren Jahresringe bei den Fichten. Aber die Qualität des Holzes lässt nach, was auch den Instrumentenbauern im Musikwinkel nicht gefällt«, so Andreae. Einige Fichten auf der Beobachtungsfläche »Klingenthal« tragen Messbänder um den Stamm - - ihr Wachstum wird in großen Tabellen festgehalten. Andreae befürchtet: Wenn die Stickstoffbelastung zunimmt, schlägt das Ökosystem um und der Wald beginnt zu versauern.
Von den sächsischen Dauerbeobachtungsflächen verlaufen fünf mit Fichtenbestand entlang des Erzgebirgskamms. In Laußnitz (Bautzen) wird die Kiefer untersucht, in Colditz (Leipzig) die Eiche und im Nationalpark Sächsische Schweiz die Buche. dpa/nd
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