Am Ende heißt Antifa Freispruch

Die sächsische Justizfarce gegen den Berliner Tim H. ist endlich vorbei

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum Abschluss gab es eine dezente Rüge für die sächsische Justiz. Dreimal musste sich der Berliner Antifaschist Tim H. vor Gerichten in Dresden verantworten. Die Verfahren dauerten alles in allem fast sechs Jahre und brachten drei völlig unterschiedliche Urteile hervor - von 22 Monaten Haft ohne Bewährung über eine Geldstrafe bis zu einem Freispruch. Das Verfahren habe das Zeug, die Beteiligten »verwirrt« zurückzulassen, sagte Martin Schulze-Griebler, Vorsitzender Richter am Landgericht Dresden, und fügte hinzu: »Mein persönliches Vertrauen in die Strafjustiz würde das nicht unbedingt festigen.«

Schulze-Griebler hatte zuvor immerhin für einen versöhnlichen Abschluss des langwierigen Verfahrens gesorgt und H. vom Vorwurf freigesprochen, bei Antinaziprotesten in Dresden am 19. Februar 2011 eine Art Rädelsführer bei gewalttätigen Übergriffen auf Polizisten gewesen zu sein. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der heute 40-jährige Familienvater aufwiegelnd auf die Menge eingewirkt habe, sagte der Richter: »Es konnte ihm nicht einmal nachgewiesen werden, dass er überhaupt Ansagen mit seinem Megafon gemacht hat.« Der zusätzliche Vorwurf, einen Polizisten mit der Äußerung »Du Nazischwein!« beleidigt zu haben, wurde nicht geahndet. Die Kammer folgte damit dem Antrag der Verteidigung.

Die Staatsanwaltschaft hatte H. vorgeworfen, mit dem per Megafon geäußerten Spruch »Kommt nach vorne!« eine 500-köpfige Menge beim Angriff auf die Polizeisperre mit lediglich 14 Beamten aufgewiegelt zu haben. In einem ersten Verfahren hatte das Amtsgericht Dresden das als erwiesen angesehen und den nicht vorbestraften Angeklagten im Januar 2013 zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte im laufenden Verfahren, er halte dieses Urteil weiter für richtig; er plädiere »allein wegen des Zeitablaufs« dafür, eine Haftstrafe auf zwölf Monate zur Bewährung auszusetzen. Das Gericht zog unter Verweis auf Polizeivideos aber eine »scharfe Trennung« zwischen einer gewalttätigen Menge sowie friedlichen Demonstranten, denen der Angeklagte zugeordnet wurde. Zudem hätten die Filme vor der Polizeisperre mindestens eine weitere Person mit Megafon gezeigt.

Diese schwache Beweislage hatte sich bereits im ersten Berufungsverfahren am Landgericht im Januar 2015 gezeigt. Die Verteidigung hatte dabei eine eigene Auswertung der Videoaufnahmen präsentiert und gegenüber der Polizei den Vorwurf einer »Manipulation des Beweismaterials« erhoben, den Anwalt Ulrich von Klinggräff jetzt erneut bekräftigte. Im zweiten Prozess wurde H. nur noch wegen der Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt. Selbst davon sah das Gericht aber diesmal ab. Weil ein Strafantrag der Polizei nicht innerhalb der nötigen Frist gestellt worden war, fehle »eine wesentliche Prozessvoraussetzung«, hieß es im Urteil.

Der dritte Prozess wurde notwendig, weil das Oberlandesgericht Dresden im Juni 2015 einem von der Staatsanwaltschaft gestellten Antrag auf Revision stattgegeben hatte. Diese Möglichkeit hätte die Anklagebehörde nach dem jetzigen Freispruch erneut. Richter Schulze-Griebler merkte aber an, er »wäre froh, wenn die Sache endlich einmal zu Ende wäre«. Tim H. wird das ähnlich sehen; er hatte in der Verhandlung beklagt, dass »die Länge des Verfahrens schon eine Strafe darstellt«. Sein Verteidiger Sven Richwin hatte auf Gerichtskosten im fünfstelligen Bereich verwiesen. Diese Bürde immerhin entfällt mit dem jetzigen Urteil: Die Kosten für das Verfahren trägt die Staatskasse.

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