Der Kurs der Ampel wird fortgesetzt

Das Entwicklungsministerium bleibt eigenständig und sieht sich weiteren Kürzungen ausgesetzt

Die Mittel werden knapper: Svenja Schulze SPD, Entwicklungsministerin mit Chance auf Weiterbeschäftigung im Austausch mit einer Frauengruppe aus dem Norden Benins.
Die Mittel werden knapper: Svenja Schulze SPD, Entwicklungsministerin mit Chance auf Weiterbeschäftigung im Austausch mit einer Frauengruppe aus dem Norden Benins.

Die Idee kam aus der Mottenkiste, in den Koalitionsvertrag schaffte sie es schlussendlich nicht: Die CDU und CSU hatten die Überlegungen der FDP aus dem Jahr 2009 in den Verhandlungen aufgegriffen, das Ministerium Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als eigenständiges Ressort abzuschaffen und in das Auswärtige Amt (AA) einzugliedern – als »integraler Bestandteil der Außenpolitik und Instrument deutscher Werte- und Interessenpolitik«. 2009 schaffte es die FDP sogar in die Bundesregierung, aber statt das BMZ abzuschaffen übernahm es der FDP-Mann Dirk Niebel.

Dass das Entwicklungsministerium erhalten bleibt, wird in entwicklungspolitischen Kreisen positiv bewertet in einer Bilanz, die wenig Licht und viel Schatten erhält, so der Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen Venro. Der Erhalt sei wichtig, heißt es bei Venro. Aber auch, dass ein Ministerium ohne ausreichende Finanzierung jedoch dem großen Bedarf für ein starkes internationales Engagement Deutschlands kaum gerecht werden könne.

»Das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit ist die nachhaltige Verbesserung lokaler Strukturen«, erläutert der Venro-Vorstandsvorsitzende Michael Herbst. »Wenn wir den politischen Krisen unserer Zeit begegnen wollen, brauchen wir ein starkes Entwicklungsministerium, das sich den Bedürfnissen der Menschen nach Bildung, Gesundheitsversorgung, Arbeit und anderem widmen kann.« Hier trage Deutschland große Verantwortung, ein verlässlicher Partner für Länder des globalen Südens zu bleiben. »Überall auf der Welt schauen Menschen gerade nach Deutschland und erwarten unsere Reaktion auf die dramatische Entwicklung bei USAID und anderswo«, so Michael Herbst.

Die wegen ihrer politischen Einflussnahme zum Beispiel in Kuba oder der Ukraine umstrittene US-Entwicklungsbehörde USAID soll bis zum 1. Juli endgültig zerschlagen werden. Aber nicht deswegen, sondern weil sie aus Sicht der Trump-Regierung zu viel Kosten und zu wenig Nutzen brachte. USAID unterstützte mit jährlich 40 Milliarden Dollar 130 Staaten, organisierte zahlreiche Hilfsmaßnahmen in aller Welt, aber auch Opposition gegen missliebige Regierungen.

»Die Industrieländerorganisation OECD hat in einem Szenario projiziert, dass die Mittel für die internationale Zusammenarbeit von etwa 230 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr auf 73 Milliarden Dollar nächstes Jahr kollabieren könnten«, warnte Achim Steiner, als Leiter des UN-Entwicklungsprogrammes UNDP ranghöchster Deutscher bei den Vereinten Nationen, jüngst in der »FAZ«. Die kommende Bundesregierung dürfte sich da einreihen: »Aufgrund der Notwendigkeit, den Haushalt zu konsolidieren, muss eine angemessene Absenkung der ODA-Quote erfolgen«, heißt es im Koalitionsvertrag. Und das, wo schon die Ampel einen fatalen Kurs eingeschlagen hatte. Zum ersten Mal seit 2019 sanken 2023 die Ausgaben für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA). Und von 2021 bis 2025 wollte die Ampel die Haushaltstitel für Entwicklungszusammenarbeit um historische 25 Prozent zurückfahren.

Venro vermerkt auf der Positivliste das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zur Um- und Fortsetzung der Agenda 2030 und zum Pariser Klimaabkommen. »Beide Vorhaben sind elementar für das Ziel einer gerechteren und lebenswerten Zukunft für alle Menschen«, sagt Michael Herbst. Klar sei aber auch, dass dies in der Regierungsarbeit durch kohärente Maßnahmen mit Leben gefüllt werden müsse. »Lippenbekenntnisse allein werden nicht reichen«, so Herbst. Der angedeutete Bruch der kommenden Bundesregierung mit Deutschlands Verpflichtung, die Quote von mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen (ODA-Quote) zu erfüllen, stehe im deutlichen Widerspruch zu diesen Entscheidungen und sei zugleich auf vielen Ebenen ein fatales Signal, findet Venro.

Im Haushalt für dieses Jahr sind 10,3 Milliarden Euro für das BMZ veranschlagt, was allerdings nur den kleineren Teil der Mittel ausmacht, die Deutschland aus diversen Quellen für Entwicklungsleistungen aufwendet. 2023 lag dieser Betrag bei 35,05 Milliarden Euro. International werden diese Leistungen mithilfe der ODA-Quote gemessen. Das Ziel ist es, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklung auszugeben. Die deutsche Quote lag 2023 bei 0,82 Prozent. Erstmals übersprungen wurden die 0,7 Prozent 2016, weil die Ausgaben für Geflüchtete in Deutschland hier mit einfließen wie auch später die Corona-Hilfen für Länder des Globalen Südens.

Der emeritierte Geografie-Professor mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik Theo Rauch sieht bei der kommenden Regierung »ein ›Weiter so‹, eine Fortschreibung der bisherigen Politik – im Guten wie im Schlechten.« Die in dem Koalitionsvertrag proklamierten »grundlegenden Veränderungen« bestünden wohl in der stärker betonten geopolitischen Ausrichtung, sagte Rauch dem »nd«. »Gegen eine gleichermaßen werte- und interessensorientierte Entwicklungszusammenarbeit ist im Prinzip nichts einzuwenden, solange es nicht um Interessen geht, die den Werteorientierungen einer Welt ohne extreme Armut und ohne Hunger entgegenstehen.« Diese Gefahr sieht der renommierte Entwicklungsexperte durchaus: »Was bei der Werteorientierung zu kurz kommt, sind Ausführungen dazu, wie man diesen bisher nur sehr begrenzt erfolgreichen Kampf für eine beschäftigungswirksame Wirtschafts- und Handelspolitik erfolgreicher gestalten könnte.« Bemerkenswert sei, dass bei den angestrebten Freihandelsabkommen jeder Hinweis auf eine beschäftigungswirksame und ökologische Gestaltung der Handelsbeziehungen fehle. Konkret nennt Rauch die Exportinteressen deutscher Konsumgüterindustrien: »Wenn wir angesichts unseres technologischen Vorsprungs Güter wie Mangosaft, Milchpulver oder Schokolade nach Afrika exportieren, müssen wir uns nicht wundern, wenn Afrikaner hierherkommen, um ihre Rohstoffe hier zu verarbeiten und nicht bei sich zu Hause.«

Die Bundesregierung orientiert sich an den Werten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltiger Entwicklung. »Diese Ziele können nicht mit warmen Worten erreicht werden – es braucht schlicht eine ausreichende Finanzierung«, kritisiert der Venro-Vorsitzende Herbst. Doch die ist im Gegensatz zu weiteren Kürzungen nicht in Sicht.

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