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Aufregung um Einreise von Afghanen
Unionspolitiker attackieren Baerbock für Aufnahmezusagen nach Bundesprogramm
Die Wellen der Empörung schlagen hoch. Der Grund: In Kürze sollen offenbar mit drei Flügen nochmals gefährdete Afghan*innen nach Deutschland gebracht werden. Auf entsprechende Medienberichte reagierten Politiker der Union aufgebracht. So findet Sachsens Innenminister Armin Schuster, der »politische Anstand« gebiete es einer geschäftsführenden Bundesregierung, »maßzuhalten«. Dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) »Sekunden vor ihrem Abtritt« so weitreichende und »unsere Gesellschaft massiv polarisierende Aktionen im Akkord« durchziehen wolle, sei »wirklich infam und vollkommen verbohrt«, sagte Schuster der Deutschen Presse-Agentur.
Die Bundesregierung wies demgegenüber darauf hin, dass Aufnahmezusagen für als schutzbedürftig eingestufte Menschen aus Afghanistan rechtlich verbindlich und somit einzuhalten seien. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte am Montag in Berlin, alle Betroffenen müssten sich vor ihrer Aufnahme einer strengen Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Weitere Aufnahmezusagen würden nicht erteilt.
Die Aufnahmezusagen an Afghan*innen und die Flüge erfolgen im Rahmen des von der Ampel-Koalition im Oktober 2022 beschlossenen Bundesaufnahmeprogramms für frühere afghanische Ortskräfte der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen sowie weiterer Aufnahmeprogramme. Dabei geht es um Menschen, die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan 2021 als besonders gefährdet gelten, etwa wegen ihrer Aktivitäten als Menschenrechtsanwälte oder Frauenrechtlerinnen.
»Das Auswärtige Amt hat die wenigen diplomatischen Möglichkeiten mit den Taliban offenbar ausschließlich dazu genutzt, um Zigtausende Personen nach Deutschland zu holen anstatt sich um die Rückführung der Personen zu bemühen, die als Mehrfach- und Intensivstraftäter oder Islamisten jedes Gastrecht verwirkt haben«.»
Armin Schuster
Innenminister von Sachsen (CDU)
Nach Angaben einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes (AA) gibt es derzeit in allen Verfahren zusammen noch etwa 2600 Menschen, die bereits eine Aufnahmezusage haben. Einbezogen sind jeweils enge Familienangehörige. Ende März war ein Flugzeug mit 174 Afghan*innen an Bord in Hannover gelandet, die eine Aufnahmezusage erhalten hatten.
Die künftige Bundesregierung von CDU, CSU und SPD will laut ihrem Koalitionsvertrag «freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden». Armin Schuster, der für die CDU an den Koalitionsverhandlungen beteiligt war, räumte ein, dass mit den Aufnahmeprogrammen «in absoluten Zahlen nur wenige Personen kommen». Nach über zehn Jahren einer «nahezu ungesteuerten Migrationspolitik» träfen diese jedoch auf Kommunen, die, was Finanzierung und Unterbringung angehe, schon völlig überfordert seien. Auch die große Zahl einreisender Angehöriger mache deutlich, dass das Programm «aus dem Ruder gelaufen» sei.
Das AA habe unter Baerbocks Führung «die wenigen und komplizierten diplomatischen Möglichkeiten mit den Taliban offenbar ausschließlich dazu genutzt, um Zigtausende Personen nach Deutschland zu holen, anstatt sich um die Rückführung der Personen zu bemühen, die als Mehrfach- und Intensivstraftäter oder unverhohlene Islamisten jedes Gastrecht verwirkt haben», behauptet Schuster.
Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber und sein CDU-Kollege Carsten Linnemann nutzten die Gelegenheit zu Angriffen auf Baerbock. Linnemann behauptete am Montag im TV-Sender «Welt», er habe «gesehen», dass die Flüge teilweise «nicht einmal sicherheitsüberprüft» seien.
Laut dem Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Menschen aus Afghanistan erhalten diese einen Aufenthaltstitel für vorerst drei Jahre. Ursprünglich war die Aufnahme von rund 18 000 Personen über das Programm vorgesehen. Bis zum November 2024 waren von diesen aber erst 964 in Deutschland angekommen. Der Weg zu einer verbindlichen Aufnahmezusage ist für die Betroffenen weit. Oft warten sie schon monatelang auf einen Termin etwa in der afghanischen Botschaft in Pakistans Hauptstadt Islamabad. In der Zwischenzeit laufen viele Gefahr, von Pakistan aus nach Afghanistan abgeschoben zu werden.
Ende 2023 hat Pakistan mit Massenabschiebungen von Afghan*innen begonnen. Seitdem haben nach offiziellen Angaben fast 900 000 Menschen das Land verlassen. Allein seit Beginn der jüngsten Abschiebewelle Anfang April kehrten nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen mussten mehr als 127 000 von ihnen in ihr Herkunftsland zurück, 26 000 wurden demnach abgeschoben.
Seit dem Ablauf einer Frist zur freiwilligen Ausreise Ende März haben pakistanische Behörden damit begonnen, Geflüchtete festzunehmen und sie in Abschiebezentren zu verlegen. Langfristig plant die Regierung in Islamabad die Ausweisung von drei Millionen Afghan*innen. Viele von ihnen leben seit Jahrzehnten im Nachbarland. Mit Agenturen
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