Textilarbeiter profitieren nicht

Bangladeschs Wirtschaft wächst, doch in den Fabriken steigt der Unmut

  • Frederic Spohr, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

So einen Aufstand hatte Bangladesch lange nicht gesehen: In Ashulia, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka, forderten im Dezember Zehntausende Näher und Näherinnen eine Erhöhung des monatlichen Mindestlohns von 5000 Taka (60 Euro) auf 16 000 Taka. Wie ein Feuer griffen die Streiks von einer Fabrik auf die nächste über.

Doch dann erhielten die Aufmüpfigen die Quittung: Polizeiangaben zufolge entließen die Fabriken rund 1600 Beschäftigte, Gewerkschaften sprechen sogar von rund 3500 Betroffenen. Anführer der Streiks sowie einfache Arbeiter wurden von Fabrikmanagern sogar bei der Polizei gemeldet und kurzfristig festgenommen - unter anderem wegen Vandalismus und Unruhestiftung.

Es brodelt weiter in Bangladesch: Mehr als drei Jahre nach der Rana-Plaza-Katastrophe mit über 1000 Toten bleibt das südasiatische Land das Schmuddelkind der globalen Textilindustrie. Während sich die Sicherheitsstandards zumindest in manchen Fabriken schrittweise verbessern, führen nun die geringen Löhne zu immer heftigeren Spannungen. Das letzte Mal wurde der Mindestlohn vor drei Jahren erhöht - als Reaktion auf das Unglück von Rana Plaza.

Die Nichtregierungsorganisation Clean Clothes Campaign nennt das Vorgehen der Behörden und der Unternehmen in Bangladesch »einen Angriff auf legitime Arbeiterorganisationen und einen Versuch, Beschäftigte dabei zu stoppen, auf ihre Armutslöhne und schrecklichen Arbeitsbedingungen hinzuweisen«.

Es sind allerdings diesmal nicht die kleinen Betriebe, in denen die Arbeiter für ihre Proteste bestraft wurden. Oft entschuldigen sich die großen Modeketten bei negativen Schlagzeilen mit dem Hinweis auf das undurchsichtige Zuliefernetzwerk. Doch wie mehrere Medien in Bangladesch berichten, gingen auch große Unternehmen gegen die Arbeiter vor. So hätten die Sharmin Group oder die Ha’Meem Group mit Entlassungen und Anzeigen gegen ihr Personal reagiert - beide Firmen beschäftigen mehrere zehntausend Arbeiter. Als Kunden führen sie auf ihrer Internetseite zahlreiche westliche Ketten auf, unter anderem H&M, Gap und Zara.

In einer Stellungnahme hat die Alliance for Bangladesh Worker Safety, eine nach der Rana-Plaza-Katastrophe gegründete Initiative US-amerikanischer Modeketten, darunter auch Gap, die Festnahmen verurteilt. Zu den Massenentlassungen und den Forderungen der Belegschaften äußerte sich die Initiative jedoch nicht.

Dass die Unzufriedenheit unter den Arbeitern wächst, ist kaum überraschend: Im Gegensatz zu anderen Textilstandorten wie Kambodscha oder Vietnam stagnieren die Einkommen in Bangladesch trotz steigender Lebenshaltungskosten. Selbst in Myanmar, das sich erst in den vergangenen Jahren der Globalisierung geöffnet hat, ist der Mindestlohn mittlerweile höher.

Das resultiert auch aus der Billigstrategie des Landes: »Bangladesch hat vergleichsweise geringe Preise in praktisch jeder Textilproduktkategorie«, heißt es in einer Studie der Weltbank, in der Textilbranchen in Südostasien und Südasien miteinander verglichen werden. »Es scheint, als wolle das Land damit Defizite in Qualität, Arbeitsstandards und Zuverlässigkeit ausbügeln.« Doch das funktioniert nur bedingt: Trotz Wirtschaftswachstums verlor Bangladesch laut Weltbank in den vergangenen Jahren Marktanteile gegenüber der Konkurrenz aus Südostasien.

Rund 80 Prozent aller Exporte des Landes stammen aus dem Textilsektor. Der Aufschwung der Branche machte den armen Staat zu einem der schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Im aktuellen Haushaltsjahr dürfte Bangladesch laut der Asiatischen Entwicklungsbank um rund sieben Prozent wachsen - doch die breite Masse der Beschäftigten profitiert kaum davon.

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