Atomstreit zwischen Spanien und Portugal
Portugiesen wehren sich gegen geplantes Zwischenlager für strahlenden Müll am spanischen AKW Almaraz und fordern den Ausstieg
Es kommt sehr selten vor, dass sich im portugiesischen Parlament alle Parteien, von ganz links bis ganz rechts, einig sind. Doch die Entscheidung der konservativen spanischen Regierung am Freitag, am grenznahen Atomkraftwerk Almaraz ein »Temporäres Individualisiertes Lager« (ATI) für Atommüll einzurichten, treibt die Portugiesen vereint auf die Barrikaden. Es war die Partei »Os Verdes« (Die Grünen), die in Koalition mit den Kommunisten bei Wahlen antritt, die den Antrag ins Parlament eingebracht hatte, um gegen die Entscheidung zu protestieren.
Auch die beiden konservativen Schwesterparteien der in Spanien regierenden Volkspartei (PP) stimmten gegen das Vorhaben und unterstützen die Linie der portugiesischen Regierung. Die zog sofort Konsequenzen und sagte ein geplantes Treffen von Umweltminister João Pedro Matos mit seiner Madrider Kollegin ab. Spanien ignoriere den Nachbarn, heißt es in dem Antrag. »Es verletzt europäisches Recht und das Loyalitätsprinzip unter Nachbarn«, so der Umweltminister. Portugal hat eine Klage bei der EU-Kommission gegen das Zwischenlager angekündigt, weil grenzüberschreitende Auswirkungen nicht bewertet wurden und Portugal nicht angehört wurde.
Seit vielen Jahren gibt es Nachbarschaftsstreit um das AKW Almaraz. Der wurde vor einem Jahr noch angeheizt, als fünf Inspektoren der spanischen Sicherheitsbehörde über schwere Notkühlprobleme des Atomkraftwerks informierten, das bereits seit fast 36 Jahren in Betrieb ist. In Portugal befürchtet man einen Unfall wie im japanischen Fukushima, weil ausfallende Notkühlung eine Kernschmelze nicht verhindern würde. Die Radioaktivität würde dann über den Tejo und per Wind ins Nachbarland transportiert. Der Fluss, dessen Wasser zur Kühlung benutzt wird, mündet ausgerechnet in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon in den Atlantik.
Das Problem ist, dass alle fünf Notkühlpumpen ein Problem haben, das spätestens seit September 2015 bekannt ist, weshalb Portugal die Abschaltung der beiden Reaktoren fordert. Ein wichtiges Teil ist schadhaft, was zum Ausfall der Pumpen führen kann. Der Austausch eines Motors im Herbst 2015 brachte keine Besserung. Auch der neue versagte schnell den Dienst. Und schon bei diesem Störfall gelangte radioaktives Wasser in den Tejo.
Eigentlich müsste das AKW Almaraz, mit dessen Bau noch in der Franco-Diktatur 1972 begonnen wurde, längst abgeschaltet sein. Doch 2009 knickte die damalige sozialdemokratische Regierung, die versprochen hatte, aus der Atomkraft auszusteigen, vor der Atomlobby ein. Unter Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero wurde eine Höchstlaufzeit aus dem Atomgesetz gestrichen. Den Nachfolgern unter dem konservativen Mariano Rajoy wurde damit sogar ermöglicht, die altersschwachen Meiler bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag am Netz zu halten. Sie müssen sie nicht einmal wie einst geplant im Jahr 2020 vom Netz nehmen, wie es Portugals Parlament im vergangenen April einstimmig forderte.
Der Bau des Zwischenlagers erzürnt die Portugiesen nun besonders. Da Spanien mit seinem Endlager in Villar de Cañas, das längst fertiggestellt sein sollte, nicht weiterkommt, sollen nun die abgebrannten Brennstäbe wie in Deutschland zunächst auf dem Gelände der Atomkraftwerke gelagert werden. Wollten die konservativen Atomfreunde am Fahrplan bis 2020 festhalten, wäre das ATI in Almaraz sinnlos. Rajoys Regierung drängt sogar die Betreiber des ältesten AKW im nordspanischen Santa María de Garoña, den seit vier Jahren abgeschalteten Meiler wieder in Betrieb zu nehmen. Er ist mit den Fukushima-Reaktoren baugleich.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.