Gefahrenverzug

Uwe Kalbe über den Unwillen Tunesiens, Straftäter aufzunehmen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Demonstrierende Tunesier sind gerade kein Anlass freudiger Kommentare. Gefahr ist im Verzug, die Araber wollen ihre Straftäter nicht zurück. Und Deutschland besteht auf Gewährleistung. Was die deutsche und wohl die westliche Öffentlichkeit insgesamt am Arabischen Frühling faszinierte, der vor sechs Jahren in Tunesien seinen Anfang nahm, war der angeblich begrüßenswerte Eindruck, darin bahne sich der natürliche Lebenswille der Menschen Bahn, der ein freiheitlich-demokratischer und damit natürlich ein genuin westlicher Lebenswille sei. Die Realität war eine andere. Das Regimestürzen, vom Westen eifrig betrieben, brachte wenigen mehr Freiheit und vielen mehr Elend. Ausläufer ist der islamistische Terror, unter dem in erster Linie die Länder der Region leiden und erst in zweiter die Länder der westlichen Welt.

Die Ignoranz des Westens hat daran keinen Schaden genommen. Wenn Deutschland nun seinen Umgang mit potenziellen islamistischen Tätern neu ordnet, dann nach kolonial geprägtem Muster. »Wer nicht kooperiert, der wird sanktioniert«, droht Justizminister Maas. Es schwingt die Klage über fehlende Rechtsstaatsnormen auf der Gegenseite mit, vielen ein willkommener Beleg für die Kluft von Kultur und Religion. Dabei zeigen die Tunesier gerade eine frappierende Ähnlichkeit zum hiesigen besorgten Bürger. Sie wollen die »fremden Straftäter« nicht. Die seien erst nach der Ausreise gefährlich geworden, wurden also zur Gefahr nach Verzug. Derart spitzfindig, wird man in Deutschland allerdings bestenfalls als Fremdenfeind entlarvt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -