Umstürzende Windräder

Ursachen für zuletzt gehäufte Schäden an Windkraftanlagen noch unklar

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Aus der Ferne wirkt es wie ein umgeknickter Strohhalm, doch aus der Nähe offenbart sich, dass ein fast hundert Meter hohes Windrad weggeknickt ist; Turbine und Rotorblätter liegen zerstört im Acker. Das Unglück hat den Betreiber der Anlage bei Leisnig in Sachsen, die Eurowind Energy, am 27. Dezember aus heiterem Himmel getroffen. Für das Unternehmen sei es die erste Havarie einer Windkraftanlage, versucht Geschäftsführer Benjamin Schmitt, sich der unerwarteten Situation anzunähern. Obwohl das Unglück schon fast zwei Wochen her ist, kann Schmitt über die genaue Ursache noch nichts sagen. Bis diese feststehe, könnten noch einige Wochen ins Land gehen.

Nicht nur wegen der Havarie bei Leisnig ist die Windkraftbranche derzeit in Aufregung. Am 3. Januar stürzte im Landkreis Harburg bei Hamburg ein ebenso hohes Windrad um, am gleichen Tag brach in der Uckermark ein Rotorflügel ab und bei Sü- derholz im Landkreis Vorpommern-Rügen fiel bereits am 12. Dezember eine Windkraftanlage um.

Trotz der inzwischen bundesweit 26 500 Windkraftanlagen waren solche Ereignisse bislang selten. Ein oder zwei größere Schäden dieser Art verzeichnete die Branche bisher - pro Jahr. Trotz der derzeitigen Häufung spricht der Branchenverband BWE daher weiter von Einzelfällen, wie Sprecher Wolfgang Axthelm erklärt. Auch der Verband wolle erst mal die Untersuchungen der Gutachter zu den Ursachen abzuwarten.

Die sind bis dato bei allen vier Unfällen unklar. Beim Windrad bei Leisnig soll auch das Alter der Anlage eine Rolle gespielt haben. Der Überwachungscomputer habe beim Windrad einen Rotorblattfehler festgestellt und die Anlage daraufhin abgeschaltet. Noch während des Abbremsens soll eine Unwucht des Rotors die Anlage aber derart aufgeschaukelt haben, dass der Mast umgerissen wurde. Die Frage aber, woher die Unwucht am Rotorblatt kam, ist damit nicht beantwortet.

Dass viele Windräder in die Jahre kommen, zeigt die Statistik: Laut dem BWE wurden rund 11 400 Anlagen bereits bis Ende 2001 errichtet, rechnerisch also etwa 40 Prozent. Allerdings wurden schätzungsweise einige hundert dieser älteren Anlagen im Rahmen des sogenannten Repowerings durch leistungsstärkere Windräder ersetzt oder abgebaut. Bis 2020 will die Branche weitere 1500 Megawatt Windleistung auf diese Weise erneuern.

Selbst wenn das so eintritt, werden im Jahr 2020 vermutlich noch Windräder mit einer Gesamtleistung von gut 5000 Megawatt am Netz sein, die älter als 20 Jahre sind. Zwar werden die Genehmigungen für den Betrieb der Windkraftanlagen in der Regel ohne Befristung erteilt, zu den einzuhaltenden Vorgaben gehört aber auch eine Mindestlebensdauer von 20 Jahren. Wird dieses Alter überschritten, wird die Genehmigung aber nicht hinfällig - der Betreiber muss nur für einen gefahrlosen Betrieb sorgen.

»Theoretisch kann jede Konstruktion bei einer entsprechenden Instandhaltung auf unbestimmte Zeit betrieben werden, da sich insbesondere gealterte, abgenutzte oder geschädigte Bauteile austauschen lassen«, erklärt denn auch BWE-Sprecher Axthelm. Für ihn lässt die geringe Anzahl der Schadensfälle es bisher auch nicht zu, einen Zusammenhang der Unfälle zum Alter der Windkraftanlagen oder zu bestimmten Anlagentypen herzustellen.

Deutlich wurde nur, dass Schlagzeilen zu den Havarieberichten wie »Sturm knickt Windrad um« kaum berechtigt sind. Windkraftanlagen seien nach internationalen Normen zertifiziert und die Windstärken im Dezember hätten »deutlich« unter den darin festgelegten Auslegungswerten gelegen, betont BWE-Mann Axthelm. Für ihn haben die jetzt havarierten Anlagen in den letzten 15 Jahren sicherlich schon ähnliche, wenn nicht stärkere Windlasten erlebt - und diesen offenbar standgehalten.

Im Bundeswirtschaftsministerium hält man sich mit Mutmaßungen zu dem Problem übrigens erst einmal zurück, nicht nur weil für die Genehmigung von Windenergieanlagen die jeweiligen Immissionsschutzbehörden in den Ländern zuständig sind. »In Relation zum Anlagenbestand dürften die Havarien bei diesen Anlagen im Bereich unter einem Promille liegen, ein für Bauwerke völlig normaler Wert«, erklärt das Wirtschaftsministerium.

Statistisch gesehen stimmt das, erklärt aber auch nicht so recht, warum Windmaste wie Strohhalme knicken. Außer man glaubt an Murphys Gesetz, dass alles, was theoretisch passieren kann, auch irgendwann passiert.

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