Öl - Fluch und Segen für Osttimor
Inselstaat streitet mit Australien über die Anteile an unterseeischen Rohstoffvorkommen
Die Menschen in Dili jubeln. Osttimor hat den verhassten Seevertrag mit Australien gekündigt, der die Verteilung von riesigen Öl- und Gasvorkommen zwischen beiden Ländern regelt. Endlich, sagen viele Menschen in der Hauptstadt des südostasiatischen Inselstaates Osttimor. Besser spät als nie, seufzen andere. Die Vertragskündigung hatten bereits im März 2016 mehr als zehntausend Menschen in Dili bei der größten Demonstration seit der Unabhängigkeit und internationalen Anerkennung im Jahr 2002 gefordert.
Den Ausstieg aus dem vor zehn Jahren geschlossenen Vertrag verkündeten die Regierungen von Osttimor und Australien am Montag dieser Woche in einer gemeinsamen Erklärung. In dem Meeresgebiet in der Timorsee befinden sich enorme Mengen an Öl und Gas. Es geht um 40 Milliarden US-Dollar. Soviel etwa sollen die Gas- und Ölvorkommen des Greater-Sunrise-Feldes wert sein. Der jetzt aufgekündigte Vertrag sah eine 50:50-Aufteilung der Einnahmen sowie ein 50-jähriges Moratorium bis zu einer endgültigen Grenzregelung vor.
Nach Ansicht Osttimors sollte die Grenze genau in der Mitte zwischen beiden Ländern verlaufen. Das hätte zur Folge, dass das Land den Löwenanteil der Öl- und Gasmilliarden aus dem Greater-Sunrise-Feld erhielte. Osttimor hat dazu auch das Internationale Schiedsgericht in Den Haag um Hilfe angerufen. Australien erkennt die Zuständigkeit des Gerichts in dieser Frage jedoch nicht an. Die Vereinten Nationen versuchen zu vermitteln.
Osttimor fühlt sich vom großen Nachbarn über den Tisch gezogen. Australien habe bei der Vertragsverhandlung die Unerfahrenheit der Regierung von Osttimor ausgenutzt, ist ein in Dili häufig gehörtes Argument. Die ehemalige portugiesische Kolonie war nach 24 Jahren brutaler indonesischer Besatzung erst vier Jahre vor dem Vertragsschluss unabhängig geworden. Noch schwerer aber wiegt aus Sicht der Osttimoresen, dass Australien durch Spionage über die Verhandlungsstrategie der Regierung von Premierminister Mari Alkatiri bestens informiert war.
Das mehrheitlich katholische Osttimor ist ein bitterarmes Land. Über ein Drittel der Menschen lebe von weniger als 1,25 Dollar am Tag, heißt es im »Länderprofil Osttimor« der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). 40 Prozent seien Analphabeten und viele junge Menschen arbeitslos und ohne Zukunftsperspektive. 70 Prozent der 1,2 Millionen Timoresen lebten von der Landwirtschaft. Ein produzierendes Gewerbe habe sich bisher kaum entwickelt, wie auch das große touristische Potenzial von Osttimor noch weitgehend brach liege. Einziges nennenswertes Exportprodukt neben Öl und Gas ist Kaffee, der dem Land im Jahr 2014 knapp 14 Millionen Dollar einbrachte.
Osttimor lebt von den Einnahmen aus den fossilen Brennstoffen. »Die Demokratische Republik Timor-Leste ist nach Südsudan das von Öl und Gas abhängigste Land der Welt«, heißt es im GIZ-Profil. Mit den Einnahmen aus dem Erdölfonds, die sich Anfang 2016 auf 16,22 Milliarden Dollar beliefen, wurden Infrastrukturmaßnahmen, Pensionen für Veteranen des Unabhängigkeitskampfes sowie soziale Maßnahmen für Senioren und arme Familien finanziert.
Die Regierung plant die Weiterverarbeitung der Öl- und Gasvorkommen im eigenen Land. Das Vorhaben stößt jedoch auf Widerstand. Die lokale Umweltorganisation La’o Hamutuk wirft den Behörden Fehler bei der Planung und Verharmlosung der Umweltrisiken vor.
Osttimor wird auf lange Zeit auf die Ölmilliarden angewiesen sein. Die Verhandlungen mit Australien über die Seegrenze könnten bei einem erfolgreichen Abschluss dem Land weitere, dringend benötigte Einnahmen bescheren. Die GIZ aber mahnte bereits 2015: »Die Herausforderung liegt darin, die Abhängigkeit von den Öl- und Gaseinnahmen zu mindern, wirtschaftliche Diversität zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen sowie Korruption zu bekämpfen und der ungleichen sozialen Entwicklung entgegen zu wirken.«
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