Uneins nur beim Grundeinkommen
Fernsehdebatte: Sozialistische Kandidaten für das französische Präsidentschaftsamt kommen ohne Polemik aus
Ein polemischer Schlagabtausch blieb weitgehend aus: In der Fernsehdebatte am Donnerstagabend waren sich die sieben Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur seitens der Sozialisten und ihrer Verbündeten in vielen Punkten einig. Am 22. und 29. Januar entscheidet sich, wer für die Parti socialiste (PS) ins Rennen um das französische Präsidentenamt geht. In der zweieinhalbstündigen Diskussion ging es vor allem um Vorschläge für die künftige Wirtschafts- und Sozialpolitik. Deutlich zu erkennen war, dass die Entscheidung zwischen vier Anwärtern fallen wird: zwischen dem ehemalige Premier Manuel Valls und den Ex-Ministern Benoît Hamon, Arnaud Montebourg und Vincent Peillon. Die Vorsitzende der Partei der Linken Radikalen, Sylvia Pinel, der Umweltpolitiker François de Rugy sowie Jean-Luc Bennahmias indes dürften keine Chance haben.
Bennahmias räumte das sogar ein, indem er ironisch erklärte: »Wir sind sieben kleine Kandidaten.« Damit machte er unausgesprochen darauf aufmerksam, dass Umfrageergebnissen zufolge der von den Kommunisten unterstützte Linksfrontpolitiker Jean-Luc Mélenchon und der ehemalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron weit vor den Kandidaten der PS landen werden - egal wer von den sieben siegreich aus den Vorwahlen hervorgehen wird.
In der Debatte hatte Manuel Valls Schwierigkeiten, glaubhaft zu machen, dass er mit der Politik von Präsident François Hollande, die er zwei Jahre lang als Regierungschef mitgetragen hatte, gebrochen hat. Und warum er den Artikel 49.3 der Verfassung abschaffen will, der eine Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbindet. Den Artikel hatte Valls selbst viermal eingesetzt, vor allem, um das Gesetz über die stark umstrittene Arbeitsrechtsreform durchs Parlament zu peitschen.
Die Vorschläge der sieben Kandidaten für die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums hatten einen vergleichbaren Tenor. Nur im Detail gab es unterschiedliche Vorstellungen zu den Themen Beschäftigung, Reduzierung der Arbeitslosigkeit, Steuern oder Soziales. So referierte der ehemalige Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg einmal mehr über sein Lieblingsthema »Made in France«. Ihm zufolge können durch entsprechende Strafsteuern bzw. finanzielle Anreize in sogenannte Billiglohnländer ausgelagerte industrielle Arbeitsplätze dauerhaft nach Frankreich zurückgeholt und durch Investitionen zukunftssicher gemacht werden.
Echte Differenzen zwischen den sieben Kandidaten gab es nur zum Grundeinkommen. Dieses schlägt der Vertreter des linken Flügels der PS Benoît Hamon vor. Während es Manuel Valls mit den Worten »Ich will eine Gesellschaft, die sich auf Arbeit gründet« abtat und es Montebourg für »nicht finanzierbar« hält, bevorzugt der ehemalige Bildungsminister Vincent Peillon »traditionelle Solidarität«. Diese bestehe darin, dass »diejenigen, die mehr haben, etwas an die abgeben, die wenig haben«.
Nur Jean-Luc Bennahmias meinte, er sei zwar kein Freund des Grundeinkommens, könne es aber akzeptieren. Den Vorwurf, dass es ungerecht sei, weil es nach der Idee von Hamon an alle - Arme wie Reiche - ausgezahlt werden soll, ließ der Umweltpolitiker nicht gelten und meinte: »Diejenigen, die große Einkommen haben, zahlen dieses zusätzliche Grundeinkommen mehrfach in Form von Steuern zurück.«
Einig waren sich dagegen alle sieben Kandidaten, dass die Förderung des Bildungswesens absolute Priorität haben muss. Da hier die Grundlagen für die Zukunft Frankreichs gelegt würden, müsse eine größere »soziale Durchmischung« der Schulen erreicht werden.
Die Kandidaten bekannten sich zudem zur »Einheit der Linken«, um zu verhindern, dass es im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl nur noch um eine Entscheidung »zwischen der Totalen und der Extremen Rechen« gibt, wie es Benoît Hamon auf den Punkt brachte. Doch angesichts der Realitäten der politischen Landschaft dürfte das ein frommer Wunsch bleiben.
Einen Bericht über den Auftritt Emmanuel Macrons, des unabhängigen Kandidaten für das französische Präsidentenamt, in Berlin lesen Sie auf: dasND.de/Macron
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