Freie Menschen statt freier Märkte
Das Jahr der deutschen G20-Präsidentschaft lädt vielerorts zum Protest
»Meutern, Entern, Kapern. G20 über Bord« - so lautete die Zusammenfassung der Aktionskonferenz gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Erstmals kamen dort im Dezember unterschiedliche Strömungen zusammen, um sich öffentlich über ihre Proteste gegen den G20-Gipfel auszutauschen. Die Planungen der über 500 Teilnehmer*innen wurden grafisch protokolliert.
Anlass zum Meutern, zu einer kollektiven Gehorsamsverweigerung gegen aufoktroyierte Verhältnisse wird es im Juli 2017 ausreichend geben, wenn sich die Staatschefs der G20-Staaten in Hamburg treffen, wenn die Stadt mit Polizei- und Militäreinheiten zugeschissen sein wird, wenn die Anwohner*innen der betreffenden Stadtviertel an jeder Ecke kontrolliert und in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt werden, wenn sie ihre persönlichen Gäste nicht mehr einfach empfangen können und so weiter und so fort. Deshalb gilt es insbesondere an den Tagen des G20-Gipfels, sich die Hansestadt (zurück)zuerobern, sie zu entern und zu kapern, sie in Besitz zu nehmen und sie damit zu einer rebellischen Stadt zu machen.
Diese ermutigende Selbstermächtigung wollen die Aktivistinnen und Aktivisten mit widerständigen und ungehorsamen Aktionen erreichen. Sie wollen mit Aktionen feministisch intervenieren, für offene Grenzen demonstrieren und die Logistik des Kapitals angreifen. Und mit einer offensiven und ambitionierten Massenaktion wollen sie die Straßen zu den Messehallen, wo der Gipfel stattfinden wird, verstopfen. Das alles mitten in Hamburg.
Viele Strömungen im ganzen Land
Die Pläne klingen verlockend. Zahllose NGOs und nahezu sämtliche linke Spektren haben den G20-Gipfel als das große politische Ereignis 2017 im Blick. Das Blockupy-Bündnis ruft zur internationalen Beteiligung auf und in vielen Städten entstehen derzeit lokale Plattformen, um gemeinsame Proteste und die Anreise nach Hamburg zu planen.
Aber das Treffen am 7. und 8. Juli in Hamburg, zu dem auch der neue US-Präsident Donald Trump und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kommen werden, ist nur der Höhepunkt der zahlreichen Treffen, die es in diesem Jahr geben wird. In Bonn kommen im Februar die G20-Außenminister zusammen. Ein örtliches Bündnis ruft deshalb zu einer überregionalen Demonstration am 16. Februar unter dem Motto »G(egen) 20 – Das Außenministertreffen in Bonn nicht ungestört lassen!« In Südwestdeutschland bereiten Gruppen eine Demonstration gegen das G20-Finanzministertreffen in Baden-Baden vor, zu dem Wolfgang Schäuble am 17. und 18. März seine Amtskollegen einlädt.
In Berlin finden zahlreiche Ministertreffen statt. Angekündigt sind schon Proteste gegen eine Afrika-Konferenz im Juni, in der es um Entwicklungspolitik, Handelsabkommen und die Förderung von privaten Investitionen in afrikanischen Ländern gehen soll. Ein Thema, das unmittelbar mit der Ausweitung des europäischen Grenzregimes nach Afrika zusammenhängt, das Antirassist*innen und andere Teile der Linken beschäftigt. Eine erste Berliner Anti-G20-Vollversammlung findet Ende Januar statt, um darüber zu sprechen, was in der Hauptstadt gegen das Treffen der »wichtigsten Protagonist*innen des scheinbar alternativlosen kapitalistischen Krisenregimes« getan werden kann.
Der G20-Gipfel schafft Orte des Zusammenkommens und der gemeinsamen Protestvorbereitung, um im 100. Jahr nach der Oktoberrevolution und inmitten einer tiefen Systemkrise weltweit ein Zeichen des antikapitalistischen Protestes in der Metropole zu setzen. Nach Frühlingsbeginn wird dann in Hamburg eine neue Aktionskonferenz stattfinden, um zu beratschlagen, wie das Meutern, Entern und Kapern konkret in Aktionen umgesetzt werden kann.
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