Unsichere Zukunft für die Sberbank
Das russische Geldhaus harrt in der Ukraine aus - doch der politische Konflikt belastet die Geschäfte
Als die russische Sberbank, die größte Geschäftsbank Russlands, Ende 2007 in die Ukraine kam, waren die politischen Spannungen zwischen den Ländern noch nicht abzusehen. Zwar war die Zeit des damaligen Präsidenten Viktor Juschtschenko bei weitem nicht der Höhepunkt der russisch-ukrainischen Beziehungen, doch eine Krise wie nach 2014 war eigentlich unvorstellbar. »Für uns war ausschlaggebend, dass sehr viele Ukrainer in Russland arbeiten«, sagt German Gref, Russlands Ex-Wirtschaftsminister, der seit Oktober 2007 Vorstandsvorsitzender der Sberbank ist. »Zudem haben die meisten Russen und Ukrainer Verwandte in beiden Ländern. Das ist ein riesiger Markt für uns.«
Die Berechnungen haben sich bewahrheitet: Schnell schaffte es die Sberbank in die Top 10 der ukrainischen Banken - und eröffnete über 200 Filialen im ganzen Land. Besser könnte es für das Institut, das von der russischen Zentralbank kontrolliert wird, kaum laufen - hätte es das Jahr 2014 nicht gegeben. Nach der russischen Annexion der Krim und dem Ausbruch des Krieges im Donbass sind viele Unternehmen aus dem Nachbarland in der Ukraine in eine unangenehme Situation geraten. Doch vor allem die Sberbank - damals noch als Sberbank Rossii auf dem ukrainischen Markt unterwegs - ist zum Hauptziel der Angriffe ukrainischer Nationalisten geworden.
Am Anfang des Russland-Ukraine-Konflikts wurden die Sberbank-Filialen fast einmal wöchentlich angegriffen. Eine sinkende Tendenz ist auch heute nicht zu beobachten. Der letzte große Angriff fand am 21. November, am dritten Jahrestag der Maidan-Revolution, im Zentrum Kiews statt. Angegriffen wurde eine der zentralen Filialen am Lew-Tolstoi-Platz. »Es ist nicht leicht, mit solchen Ereignissen im Hintergrund zu arbeiten«, betont Gref. »Jede Woche wird uns über die Vorfälle in ukrainischen Filialen berichtet. Mal sind es kleine Vorfälle, mal geht es um große Angriffe.« Um weniger mit Russland assoziiert zu werden, hat die Bank das Wort »Rossii« aus ihrer ukrainischen Vermarktung gestrichen.
Doch anders als die anderen Banken Russlands, die die Ukraine verlassen haben, will die Sberbank langfristig im Nachbarland bleiben. »Wir wollen die Arbeit in der Ukraine fortsetzen. Es macht für uns keinen Sinn, den dortigen Markt in Windeseile zu verlassen«, so Gref. Die Zahlen geben ihm Recht: Zwar befindet sich auch die Sberbank mit Rekordeinnahmen, aber auch Rekordverlusten im ersten Halbjahr 2016 in einer instabilen Situation, doch generell zählt sie gerade nach der Verstaatlichung der Privatbank, der größten Bank des Landes, zu den stabilsten. Sie belegt den siebten Platz in der Ukraine, was die Eigenkapitalgrößte angeht. »Wir haben uns stabilisiert«, betont Gref.
Allerdings haben die Risiken für die Sberbank nicht nur marktwirtschaftliche Gründe. Es gibt eine Menge politischer Vorwürfe: Noch immer wird darüber spekuliert, dass die Sberbank am Anfang des Donbass-Konflikts bei der Finanzierung prorussischer Separatisten geholfen habe. Außerdem war Ihor Juschko, Ex-Finanzminister der Ukraine, Berater von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch - und soll unbestätigten Gerüchten zufolge bei der Ausfuhr des Geldes der ehemaligen Führung von Janukowitschs »Partei der Regionen« mitgewirkt haben. Anders als Gref gibt Juschko aber keine Interviews.
»Mir ist klar, warum die Sberbank in der Ukraine bleibt«, sagt Andri Janizki, renommierter Wirtschaftsjournalist aus Kiew. »Trotz Verlusten haben sie genug Kunden, für die die Sberbank alternativlos geworden ist. Große Perspektiven hat die Bank hier nicht, das sagen auch die Mitarbeiter - jetzt zu gehen wäre aber dumm.« Für den Journalisten ist es jedoch unverständlich, warum die Arbeit der Bank vom Staat geduldet wird. »Das ist eine Frage an den ukrainischen Sicherheitsrat, der solche Entscheidungen trifft. Eine Logik gibt es nicht: Die Ukraine fordert Wirtschaftssanktionen vom Westen gegen Russland, lässt jedoch selbst eine große russische Bank arbeiten.«
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