Den Bauern stinkt es

Kritischer Agrarbericht fordert Abkehr von der Massentierhaltung

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 3 Min.

Schädlich für Tier, Mensch und Umwelt, Konzerninteressen zulasten bäuerlicher Strukturen und privatisierte, überdüngte Böden - kein gutes Haar an der gegenwärtigen Landwirtschaft lässt das Agrarbündnis aus 25 Umwelt-, Biobauern- und Tierschutzverbänden. Sie stellten wenige Stunden vor Beginn der Grünen Woche in Berlin den Kritischen Agrarbericht vorgestellt.

Die Ursache für die Missstände ist leicht ausfindig gemacht: Landwirte halten heute mehr Tiere, als ihre landwirtschaftliche Nutzfläche an Futter hergibt und die Böden an Nährstoffen in Form von Gülle aufnehmen können. Stattdessen wird massenhaft Soja importiert und die Tiere werden damit gefüttert, um beim Fleischverkauf Überschüsse zu erwirtschaften. Dass die Tiere unter der Intensivbewirtschaftung leiden, wird ebenso billigend in Kauf genommen wie die gravierenden Umweltwirkungen.

Trotz der offensichtlichen Nachteile treibt die Bundesregierung den Ausbau der Fleischproduktion in Deutschland weiter voran - obwohl der Fleischkonsum zumindest hierzulande längst zurückgeht. Was bleibt, sind gewaltige Mengen stinkender Gülle, die die Bauern auf ihre Felder ausbringen. Nachweislich sind die Stickstoffüberschüsse besonders in Regionen mit hohem Viehbestand, etwa in Niedersachsen und Teilen Nordrhein-Westfalens, besonders hoch. »Die Hälfte der 700 Messstellen unter landwirtschaftlich genutzten Flächen weist deutlich erhöhte Nitratwerte auf, an jeder vierten Messstelle wird der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser überschritten«, sagt der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger.

Lagen die vorindustriellen Stickstoffeinträge noch zwischen ein bis zwei Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr, wuchs deren Menge mit der einsetzenden Mechanisierung und Industrialisierung in der Landwirtschaft rasant. Zwischen sechs und 62 Kilogramm Stickstoff werden heutzutage pro Hektar und Jahr ausgebracht. Der hohe Stickstoffeintrag mache sich längst im Grund-, Oberflächen- und Trinkwasser bemerkbar.

Doch die Politik bleibt untätig. Wegen jahrelanger Überdüngung hat die EU-Kommission im vergangenen Herbst Klage gegen die Bundesrepublik beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Geltende Regelungen würden nicht umgesetzt, moniert die Kommission. Bei einem Urteil droht Deutschland eine sechsstellige Strafzahlung pro Tag. Durch die Klage kommt allmählich Bewegung in die Sache, dem Bundesrat wurde mittlerweile ein Entwurf zur Novellierung der Düngeverordnung vorlegt. Bernd Voß von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft reicht das nicht: »Nach einem Beschluss von Düngegesetz und -verordnung kann man gleich die nächste Reform angehen, weil sonst erhebliche Lücken bleiben«, warnt er.

Doch nicht nur Tiere und Umwelt leiden nach Ansicht des Agrarbündnisses unter der Intensivtierhaltung und der verfehlten Landwirtschaftspolitik: Auch bäuerliche Strukturen blieben auf der Strecke. »Für Landwirte wird es immer schwerer, Pachtland zu halten oder neues zu erwerben«, sagt der Vorstandssprecher des Ökoanbauverbandes Demeter, Alexander Gerber. Staatliche Subventionen nützten den Landwirten häufig nichts, da sie direkt an die Eigentümer weitergereicht würden. Das habe die Bodenpreise in die Höhe getrieben, die längst über ihrem Ertragswert lägen.

Trotz aller Probleme setzt die Politik weiter auf freiwillige Vereinbarungen statt auf klare Vorgaben: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) will auf der Grünen Woche ein neues staatliches Label für mehr Tierschutz vorstellen. Ein unverbindliches Label reicht dem Protestbündnis, das die »Wir-haben-es-satt!«-Demonstration am Samstag organisiert, aber nicht. »Wir brauchen eine verbindliche Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichnung mit klaren Kriterien und finanziellen Anreizen für tiergerechte Haltungsbedingungen«, sagt Jochen Fritz, Mitinitiator der Demo. Das Bündnis erwartet, dass sich Zehntausende Teilnehmer am Protest gegen Agrarkonzerne und bäuerliche Landwirtschaft beteiligen.

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