Donald Trump, der Narzisst
Der 45. US-Präsident ist vor der Vereidigung so unbeliebt wie kaum ein Vorgänger
An einen so unbeliebten neuen Präsidenten kurz vor der Amtseinführung wie Donald Trump kann sich wohl kein US-Amerikaner erinnern. Das legen Umfragergebnisse nahe, die am Mittwoch veröffentlicht wurden. Eine von ABC und »Washington Post« in Auftrag gegebene Erhebung zeigt die äußerst schwache Zustimmungsrate von 40 Prozent. Vier weitere Umfragen ergeben dasselbe Bild von Trump im Keller. Sind solche Zahlen für einen Präsidenten mitten im Amt nicht ungewöhnlich, so müssten sie bei einem designierten Staatschef am Ende der Übergangszeit kurz vor dem Einzug ins Weiße Haus Besorgnis auslösen. Zum Vergleich: Die Zustimmung für Bush sen., Clinton oder Obama lag wenige Tage vor ihrer eigenen Inaugurationsfeier doppelt so hoch wie bei Trump. Selbst Bush jun., der bei der umstrittenen Wahl im Jahr 2000 insgesamt weniger Stimen als sein Kontrahent Al Gore erhalten hatte, kam auf gut zwei Drittel.
Das muss den »President-elect« so gewurmt haben, dass er auf seinem üblichen Kommunikationsweg reagierte und die Ergebnisse per Twittermeldung schlichtweg für ungültig erklärte: »Dieselben Leute, die unechte Wahlumfragen machten und völlig daneben waren, ermitteln jetzt Zustimmungsraten. Die sind genauso zurechtgebastelt wie davor«, verwies Trump auf die Fehleinschätzung der Demoskopen, die tatsächlich alle einen, wenn auch knappen, Wahlsieg von Hillary Clinton vorausgesagt hatten. Mit seiner Twitterei punktete Trump wohl wieder einmal bei seinen loyalen Anhängern. Vielleicht glaubt er seiner Aussage ja selbst. Aber dass es keine massive Ablehnung seiner Person, seines Kabinetts und seiner Politik gibt - da macht »The Donald« sich und den Seinen etwas vor.
Denn jenseits der abstrakten Zahlen drücken sich Unbehagen und Opposition nicht erst seit seinem Wahlsieg auf der Straße und in den Institutionen, und dort selbst innerhalb der republikanischen Partei aus. Am Freitag, wenn Trump den Amtseid leistet, werden Dutzende von Kongressabgeordneten der Feierlichkeit aus Protest fernbleiben, während Hunderte von Demonstranten die Zeremonie laut Ankündigung mit Körpereinsatz stören wollen. Tags darauf wird es beim »Women’s March on Washington« zum größten Protestmarsch kommen, den je ein US-Präsident so früh in seiner Amtszeit erlebt hat.
Nach seinem Wahlsieg hatten noch viele gehofft, Trump werde unter dem Zwang der Institutionen zur Vernunft kommen und müsse wegen seiner Unerfahrenheit bei wichtigen Entscheidungen dann doch auf zwar konservative, aber doch rational denkende Kabinettsmitglieder und Berater zurückgreifen. Noch jeden scharf auftretenden Wahlkämpfer hätten die Vorbereitung aufs Amt und der Wunsch, als Präsident aller Amerikaner zu gelten, letztlich gezähmt. Doch Trump ist Trump geblieben. Bei öffentlichen Auftritten hat er den Egomanen nicht abgestreift. Der Rechtspopulist lügt weiterhin wie gedruckt. Die Medien greift er mehr als zuvor an. An seinen rechtsextremen Beratern hält er fest. Je nach Bedarf mimt er weiterhin den Außenseiter, der es mit jedem »Systemvertreter« aufnimmt, der ihm widerspricht - vom Geheimdienst bis zur Bürgerrechtsikone. Dabei ist er, wie schon im Wahlkampf, ein Meister bei Themensetzung und Ablenkungsmanövern geblieben. Als Mittel dienen ihm 140 Buchstaben auf Twitter, oft mit Ausrufezeichen versehen.
Psychologen bezeichnen seine Persönlichkeitsstruktur, die über Jahrzehnte zu studieren war, als in jeder Hinsicht extrem und für einen Präsidenten als sehr selten. Trump sei von einem extrem hohen Maß an Extrovertiertheit und gleichzeitig sehr niedrigem Maß an Verträglichkeit geprägt, hieß es beispielsweise in einem Essay über sein psychologisches Profil in der Zeitschrift »Politico«. Er sei von Kindesbeinen an in Dauerbewegung und auf soziale Dominanz hin ausgerichtet und komme mit wenig Schlaf aus. Für ihn positive emotionale Erfahrungen mache er im Scheinwerferlicht oder in der Umgebung von Reichen und von Symbolen des Reichtums.
Seine Verträglichkeit (agreeableness), eine der fünf zentralen Dimensionen der Persönlichkeit, sei fast nicht existent, was sich bei öffentlichen Auftritten, in Tweets und gegenüber Einzelpersonen und Gruppen oft als Arroganz, Wut und in Beleidigungen bis hin zur Gewaltandrohung äußere. Seine Opfer seien in all den Jahren seiner Karriere als Millionenerbe und Unternehmer Frauen, Politiker und Journalisten gewesen. Sein Zorn sei »echt, er täuscht ihn nicht vor. Das ist seine Persönlichkeit, er selbst«, bezeugte etwa eine Bauleiterin, die in den 1980er Jahren an der Errichtung des Trump Tower in Manhattan beteiligt war.
Donald Trump tendiere wegen seiner Extrovertiertheit und seiner unerbittlichen Effekthascherei dazu, große Risiken einzugehen. Andererseits mache es ihm größeres Vergnügen, einem Ziel wie mehr Geld oder Macht hinterherzujagen statt sich auf Erreichtem auszuruhen. In einem Interview vor einigen Jahren sagte Trump beispielsweise: »Die Jagd ist es, die ich liebe.« Die Beute sei ihm dann nicht so wichtig. Laut »Politico« habe Trump deshalb möglicherweise eine Tendenz zum Pragmatismus, der das Geschäft selbst, den »deal«, zur Ideologie erhebt.
Unterm Strich ist Donald Trump aus psychologischer Sicht ein typischer Narzisst. Verhaltensforscher veröffentlichten 2013 in der Zeitschrift »Psychological Science« eine Narzissmus-Rangliste mit US-Präsidenten. Legt man diese Studie zugrunde, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Trump als Präsident mehr als andere vor ihm Themen und Politik vorgibt. Andererseits stürzen narzisstische Präsidenten in der Gunst der Bevölkerung oft tief ab und werden überdurchschnittlich oft des Amtes enthoben, fast immer wegen unethnischen Verhaltens.
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