Frauen legen Washington lahm

Hunderttausende gingen in US-Großstädten gegen Trump auf die Straße

  • Max Böhnel, Washington
  • Lesedauer: 3 Min.

In den USA protestierten am Samstag so viele Frauen gegen die neue Trump-Regierung, dass Zählungen kaum mehr möglich waren. Die Erwartungen wurden jedenfalls weit übertroffen. In der USA-Hauptstadt Washington kamen zum »Women’ March« über eine halbe Million Teilnehmerinnen zusammen, in New York gingen bis zu 400 000 auf die Straße, etwa 150 000 waren es in Chicago und 125 000 in Boston. Auch in Seattle, Denver, Miami und an vielen anderen Orten fanden sich Hunderttausende weitere Frauen zu »Schwesterdemonstrationen« ein. Als die Demonstrationen an der Ostküste zu Ende gingen, meldete die Polizei von Los Angeles, drei Zeitzonen entfernt, in der Metropole hätten 500 000 Frauen demonstriert. Die Gesamtzahl der Teilnehmerinnen würde damit rund zwei Millionen betragen.

Aus den gesamten USA waren Demonstrantinnen zur zentralen Demonstration in die Hauptstadt gereist. Züge nach Washington waren seit Wochen ausverkauft. Fast 2000 Sonderbusse mussten geparkt werden. Die U-Bahnen waren stundenlang überfüllt. In Teilen von Downtown Washington herrschte vom Morgen bis zum Nachmittag Stillstand. Der Andrang war so groß, dass die Organisatorinnen nach der Kundgebung, die an den Anfang gesetzt worden war, den Demonstrationszug aus Sicherheitsgründen absagten. Trotzdem bewegten sich am Nachmittag Zehntausende, die noch Stehvermögen und Laufkraft hatten, mit Sprechchören die Pennsylvania Avenue entlang auf das Weiße Haus zu. »Frauenrechte sind Menschenrechte« war auf zahlreichen Plakaten zu lesen, ebenso »Finger weg von meinem Körper« und »Love Trumps Hate« (Liebe triumphiert über Hass).

Als eine der ersten Rednerinnen sagte die feministische Ikone Gloria Steinem, die die Schirmherrschaft für den »Women’ March« übernommen hatte, mit Blick über die Menge, »solch ein Ausmaß an Demokratie« habe sie in ihrem »sehr langen Leben noch nicht erlebt«. Die feministische Autorin befand auch, Trump könne nicht zwischen Fantasie und Realität unterscheiden. Die Popsängerin Madonna sah in den Protesten eine »Revolution der Liebe«.

Die Mehrzahl der Rednerinnen orientierte sich an dem Kundgebungsaufruf, in dem die Organisatorinnen unter anderem das Ende der Gewalt gegen Frauen fordern sowie die Einhaltung der Rechte von Lohnabhängigen und Gewerkschaften, eine umweltfreundliche Politik und den Schutz von Immigrantinnen ohne Dokumente. Trump und sein Kabinett wollen all diese Rechte beschneiden und zudem den Gesundheitsschutz einschränken.

Hoffnung versuchte der Filmemacher Michael Moore zu verbreiten, indem er eine aktuelle Ausgabe der »Washington Post« mit der Überschrift »Trump Takes Power« (Trump übernimmt die Macht) zerriss. »Das glaube ich nicht«, erklärte Moore, denn die Macht liege bei den Versammelten. Er appellierte an die Demonstranten, sich jeden Tag politisch zu engagieren. Hillary Clinton, die am Tag zuvor der Vereidigung Trumps beigewohnt hatte, hatte Washington offenbar schon wieder verlassen. In einer Twittermeldung dankte sie den Demonstrantinnen und versicherte ihre Zustimmung.

Zu den berühmten Rednerinnen aus der alten linken Garde gehörte Angela Davis. Mit einem leidenschaftlichen Aufruf zum Widerstand appellierte sie an die Frauen, ihren Ruf nach sozialer Gerechtigkeit in den kommenden Jahren zu schärfen und sich Radikalität zuzutrauen. »Wir wissen, dass wir kollektiv Geschichte machen können und dass man Geschichte nicht einfach löschen kann wie eine Webseite.« Damit spielte sie auf die über Nacht neu formulierte Webseite des Weißen Hauses an. Themen wie Klimawandel, Bürgerrechte und LGBT-Rechte wurden dort einfach gelöscht. Als kämpferischen Feminismus definierte Davis die »Auflehnung gegen staatliche Gewaltanwendung« sowie einen Feminismus, der einschließend und »intersektional« ist. Er verlange »uns allen den Widerstand gegen Rassismus, gegen Islamophobie, gegen Antisemitismus, gegen Frauenhass und gegen kapitalistische Ausbeutung ab«.

Am Tag davor hatten mehrere tausend Linke teilweise erfolgreich versucht, den Feierbetrieb mit zivilem Ungehorsam zu stören. An mehreren Zugängen installierten sie Blockaden, so dass Trump-Anhänger wieder umkehren mussten. Gelegentlich kam es zu kleinen Scharmützeln mit der Polizei und zu Stein- und Flaschenwürfen. Mehr als 200 Menschen wurden festgenommen. An einer Stelle musste die Fahrzeugkolonne von Trump direkt linke Demonstranten mit Schildern und Plakaten passieren.

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