Versicherer rechnen sich den Tod schön

In den Sterbetafeln gehen die Unternehmen von längerer Lebenserwartung aus - und lassen sich dies bezahlen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Trend stimmt: Unsere Lebenserwartung steigt weiter! Dies zeigt die vom Statistischen Bundesamt (Destatis) vorgelegte »Periodensterbetafel«, laut der die Lebenserwartung der Bundesbürger seit 2006 um mehr als ein Jahr bei Männern und sogar um mehr als zwei Jahre bei Frauen zugenommen hat. Auch der Klub der 100-Jährigen wird demnach immer größer. Als Gründe gelten der medizinische und der technische Fortschritt. So weit, so erfreulich.

Glücklich vor allem, wer eine auskömmliche gesetzliche Rente bezieht, denn die läuft bis zum Lebensende. Doch was ist mit dem Ersparten, der Riester-Rente? Oder wenn eine Lebensversicherung »verrentet« wird - für wie viele Jahre bis zum Tod muss das Geld dann ausreichen? Mit solch kniffligen Fragen befassen sich natürlich auch die Versicherungsunternehmen. Ihr Branchenverband GDV informiert darüber an diesem Donnerstag in Berlin auf seiner Jahrespressekonferenz - besonders interessierte Journalisten sind zu einem »Demografie-Workshop« eingeladen unter dem Motto: »Muss man erst 100 Jahre alt werden, damit sich eine Rentenversicherung lohnt?«

Die Antworten auf die Frage nach der »Restlaufzeit« von Verträgen sind natürlich bekannt. Sie gibt die Versicherungswirtschaft auf ihrer Internetseite »7jahrelänger.de«, einer Initiative des GDV: »Die meisten Deutschen unterschätzen ihre Lebenserwartung deutlich.« Und sollten daher, so die eigentliche Botschaft, noch stärker auf die Produkte der Versicherungsbranche setzen.

Allerdings weichen die Zahlen der Versicherungswirtschaft erheblich von den offiziellen des Statistischen Bundesamtes ab. Ein heute 40-jähriger Mann wird laut den Versicherern 83,6 Jahre alt werden - bei Destatis reicht es nur für ein Alter von 79,2 Jahren. Noch etwas größer fällt die statistische Kluft bei Frauen aus: Beispielsweise wird der Jahrgang 1976 durchschnittlich 88,1 Jahre (Versicherer) alt werden - laut den amtlichen Zahlen sind es dagegen nur 83,8 Jahre.

Die deutlichen Unterschiede bei der Lebenserwartung schlagen sich in der Kalkulation der Produkte nieder. Dafür zuständig auf Versicherungsseite ist die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) in Köln, in der sich Versicherungs- und Finanzmathematiker zusammengeschlossen haben. Der DAV baut eine »Sicherheitsmarge« ein, erklärt ein Vereinssprecher.

Dafür gibt es durchaus gute Gründe. Garantien für Rentenzahlungen laufen über 50 und mehr Jahre. »Wer solche langfristigen Garantien ausspricht, muss in jedem Fall Vorsicht walten lassen.« Besteht das abzudeckende Risiko wie bei einer Lebensversicherung im Tod des Versicherten, so werden die Sterbewahrscheinlichkeiten erhöht. Besteht das Risiko hingegen im längeren Leben wie bei Rentenversicherungen, so werden die Sterbewahrscheinlichkeiten gesenkt.

Dies hat finanzielle Konsequenzen: So bedeutet eine durchschnittlich längere Lebenserwartung, dass die Risikospanne höher ist. Vereinfacht gesagt, kassieren die Anbieter von Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder privaten Krankenversicherungen höhere Beiträge, als nötig wäre. Ein Plus für die Unternehmen, den die eigene Sterbetabelle quasi als Nebenprodukt liefert. Für die Versicherten kann dies vor allem in der privaten Altersvorsorge die Rendite schmälern.

Freilich sehen sich die Aktuare durchaus im Einklang mit der Gesetzgebung. Diese verpflichtet die Branche, ihre Versicherungstarife vorsichtig zu kalkulieren. Was das konkret bedeutet, entscheiden jedoch die Assekuranzkonzerne.

Man sei damit »der Realität näher als Destatis«, beteuert der DAV-Sprecher. Unter anderem gehen die Versicherungsmathematiker davon aus, dass Versicherte mehr Geld besitzen als der Bundesdurchschnitt - und deshalb gesünder und länger leben. Daher gebe es durch die eigenen Sterbetafeln unterm Strich auch keinen Extragewinn für die Unternehmen. Und wenn doch, werde dieser Risikoüberschuss weitgehend an die Versicherten ausgeschüttet.

Dies wird allerdings von Verbraucherschützern in Zweifel gezogen. Ihr Fazit: Die Versicherten müssten auf Grund dieser Kalkulation der Branche eigentlich »steinalt« werden, um doch noch positive Renditen zu erzielen.

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