Kleinunternehmer im Stich gelassen
Die Linkspartei kümmert sich zu wenig um Solo-Selbstständige, meint Rolf Sukowski. Das müsse sich ändern.
Der Bundestagswahlkampf nimmt langsam Gestalt an und damit das Werben um die Stimmen der verschiedenen Wählergruppen. Für die LINKE steht somit die Frage, welche Wählerschichten sie erreichen will. In den neuen Bundesländern ist sie nach dem Selbstverständnis von Parteien eine Volkspartei, in drei Ländern auch Regierungspartei. Ob sie es wahrhaben will oder nicht, sie muss Angebote für (fast) alle Wählerschichten machen. Und dazu gehören auch Wähler, die unternehmerisch tätig sind. Eines unterscheidet jedoch eine linke Volkspartei von den anderen Parteien - sie buhlt nicht um die Gunst der Großunternehmen. Weshalb sollten also vor allem auch Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer im September die Linkspartei wählen? Zunächst einmal ist sie die Partei, die für Frieden und Abrüstung steht. Und sie versteht sich als die Partei der sozialen Gerechtigkeit - so schön, so gut.
Zentrales Thema ist in diesem Zusammenhang die Verbesserung der sozialen Absicherung von Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmern. Im Entwurf des Wahlprogramms wird daher an verschiedenen Stellen auf die Notwendigkeit der Einbeziehung auch von Unternehmern in die sozialen Sicherungssysteme verwiesen.
In einer im Dezember vorigen Jahres von der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegten Studie zur Solo-Selbstständigkeit in Deutschland und den Niederlanden wird festgestellt, dass hierzulande Gründungen aus der Not häufiger und der Anteil unfreiwilliger und prekärer Selbstständigkeit höher sind als im Nachbarland. Die LINKE im Bundestag hat voriges Jahr dieses Thema aufgegriffen, in dem sie unter anderem eine Große Anfrage mit über 150 Fragen zur sozialen Lage und Absicherung der Solo-Selbstständigen an die Bundesregierung stellte. Seit Ende vorigen Jahres liegt die Antwort vor. Diese muss nun ausgewertet und mit weiteren Anträgen und Gesetzesinitiativen untersetzt werden. Die Linkspartei stellt in drei Bundesländern die Arbeits- und Sozialministerinnen, eine gemeinsame Initiative über den Bundesrat wäre daher denkbar.
Ina Leukefeld, Mitglied des Thüringer Landtages, hatte kürzlich auf die teilweise prekäre wirtschaftliche Situation von Solo-Selbstständigen im Bereich der Digitalwirtschaft (»digitale Honorarsklaven«) verwiesen. Dies löste in der regionalen Presse Verwunderung aus, da ein Eintreten ihrer Partei für Selbstständige bisher anscheinend in der Öffentlichkeit nicht so recht wahrgenommen wurde. Das hat sicherlich Ursachen und Gründe, beim genauen Hinsehen aber trifft diese Wahrnehmung nur bedingt zu. Im August 2015 hatte sich Parteichefin Katja Kipping erstmals zu einem gesetzlichen Mindesthonorar geäußert und im darauffolgenden November eröffnete Dietmar Bartsch im »nd« die Diskussion über Mindesthonorare für Solo-Selbstständige. Nun sollte man annehmen, dass diese Forderung im Wahlprogramm konsequent weitergeführt wird. Im jetzt veröffentlichten Entwurf findet man sie lediglich im Abschnitt über Kultur und bezogen auf selbstständige Künstler. Die über zwei Millionen Solo-Selbstständigen werden insgesamt unter digitales Prekariat subsumiert. Da sehe ich eine Inkonsequenz - eine öffentliche Diskussion zu initiieren und dann nicht konsequent in das eigene Wahlprogramm zu übernehmen.
Die Linkspartei fordert seit langem einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde, der Argumentation dafür kann und soll nicht widersprochen werden. Aber was sagt sie den Kleinunternehmern zum Beispiel im Dienstleistungsbereich und im Handwerk, die diesen notwendigen Mindestlohn zahlen und erwirtschaften müssen? Welche Unterstützung wird ihnen angeboten? Im Entwurf des Wahlprogramms wird für Ostdeutschland eine kleinteilige Wirtschaftsstruktur festgestellt, also wird es hier auch die größten Anpassungsprobleme geben. Es fehlen Angebote für flankierende Maßnahmen, damit die kleinen Unternehmen den geforderten Mindestlohn auch zahlen können.
Fazit: Das Verhältnis zwischen der LINKEN und insbesondere den Solo-Selbstständigen sowie Kleinunternehmern ist nach wie vor ambivalent. Das Wahlprogramm würde eine Chance bieten für eine Klarstellung - in der Wirtschaft sind nicht nur abhängig Beschäftigte schutzbedürftig, sondern in zunehmenden Maße auch selbstständig Erwerbstätige. Diese klare Feststellung und das Bekenntnis zu den Konsequenzen daraus ist notwendig. Es sind also noch einige Antworten offen, warum Selbstständige im Herbst die LINKE wählen sollten.
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