Kadterschmiede bleibt - vorerst
Friedrichshainer Hausprojekt hat vor Gericht Schonfrist erwirkt
Die linke Kneipe Kadterschmiede wird nicht geräumt. Das hat das Berliner Landgericht am Donnerstagvormittag entschieden. Der Hauseigentümer des Hausprojekts in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain, zu dem die Kneipe gehört, kann dagegen innerhalb von zwei Wochen Einspruch erheben und wird es vermutlich auch tun. Dann wird neu verhandelt. Wie das Gericht dann entscheiden wird, ist noch offen: Zwar haben die Besitzer der Kneipe keinen Mietvertrag, was eine Räumung wahrscheinlich macht. Aber zwei wichtige Fragen sind ungeklärt: Ist der Anwalt, der vor Gericht den Hauseigentümer vertritt, tatsächlich prozessbevollmächtigt? Und für wen? Denn die Eigentümerfirma, die britische Lafone Investments Limited, hat seit Juli 2016 keinen Chef mehr.
Es sind zwei Räumungsklagen, die am Donnerstag vor dem Landgericht hintereinander verhandelt werden. Bei beiden geht es um die Rigaer Straße 94. Die Justiz hat in dem Zusammenhang offenbar mit Krawallen gerechnet: Zwischen Stralauer Straße und Grunerstraße kurz vor dem Alexanderplatz sind am Donnerstagvormittag mehrere Polizeiwannen platziert, selbst am S-Bahnhof Jannowitzbrücke steht ein Grüppchen Polizisten wartend am Gleis. Die Littenstraße ist vor dem Landgericht gesperrt, nur zu Fuß und nur durch bewachte Hamburger Gitter ist der Eingang zu erreichen. Doch von Protesten ist nichts zu sehen.
Rund 30 Unterstützer des Hausprojekts haben die Zuschauersitze eingenommen. Der Anwalt des Hauseigentümers ist - wenig überraschend - ohne seinen Mandanten erschienen. Im ersten Prozess geht es um eine Wohnung im vierten Stock des Vorderhauses, das nicht zum Hausprojekt gehört. Hier haben die rechtmäßigen Mieter zum Auszugstermin ihre Schlüssel abgegeben. Als der Vermieter die Wohnung betreten wollte, stellte er allerdings fest, dass das Schloss ausgetauscht worden - und die Wohnung bewohnt war. Miete wird für die Wohnung keine gezahlt. Deshalb reichte er Klage ein.
Eine Entscheidung wurde aus prozessualen Gründen verschoben. Die Richterin machte allerdings deutlich, dass sie, sollte die Klage aufrecht erhalten bleiben, diese abweisen würde. Aus zwei Gründen: Erstens ist nicht bewiesen, dass die Beklagten tatsächlich die Besetzer sind. Der Vermieter hatte sie einmal morgens in der Wohnung angetroffen. Sie können aber auch Übernachtungsgäste gewesen sein, so die Richterin. Daher sei die Klage unbegründet und unzulässig. Zweitens sei eben nicht geklärt, ob der Eigentümeranwalt tatsächlich prozessberechtigt sei. »Sie sind beweispflichtig, dafür, dass Sie Eigentümer sind, und dafür, dass die Beklagten die Wohnungsbesitzer sind«, sagte die Richterin zum Eigentümeranwalt.
Der war hörbar verärgert. »Uns wird der Zutritt zum Haus verweigert«, sagte er. Da sei ein Nachweis, wer tatsächlich in der Wohnung wohne, schwierig. »Grotesk« nannte er außerdem die Tatsache, dass in der Silvesternacht aus seinem Büro die Akte zum Fall Rigaer Straße 94 entwendet worden war (»nd« berichtete). Das sei der einzige Grund, warum er nicht nachweisen könne, prozessberechtigt zu sein. Er sei noch vor Juli vergangenen Jahres von Lafone als Rechtsanwalt beauftragt worden, doch die entsprechenden Unterlagen befänden sich in der entwendeten Akte.
Im zweiten Prozesstermin wurde die Räumung der Kadterschmiede verhandelt. Auch hier ging es um die Frage, ob der Anwalt prozessbevollmächtigt sei. Dieser erklärte seinen Unmut, erst kurz vor der Verhandlung darüber informiert worden zu sein, dass diese Frage überhaupt im Raum stünde. Daher habe er sich darauf nicht vorbereiten können. Einen Antrag auf Räumung wollte er daher nicht stellen. Vor Gericht wird das genauso gewertet als sei er nicht zum Prozess erschienen. Der Anwalt des beklagten Vereins »Freunde der Kadterschmiede« beantragte daher ein Versäumnisurteil, der Richter gab dem statt.
Die Kneipe war bereits im Juni 2016 geräumt worden. Da dies ohne Räumungstitel geschah, musste der Eigentümer nach richterlichem Beschluss die Räume an den Verein zurückgeben.
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