Makel einer systemnahen Beschäftigung
Einem Pensionär werden die Bezüge gekürzt, weil er in der DDR an der SED-Parteihochschule studiert hatte
Beamte können im Ruhestand eine Pension und außerdem noch eine Rente beziehen, wenn sie nicht ihr ganzes Leben Beamte waren. Die Höhe der Pension wird dabei so berechnet, als ob sie ihr ganzes Leben Beamte gewesen wären. Das gilt allerdings nicht, wenn sie an der SED-Parteihochschule «Karl Marx» oder auch an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften studiert haben. Der Ausschluss für die Akademie ist bereits im Bundesbesoldungsgesetz zu finden.
Dass es für die SED-Parteihochschule auch gilt, liegt daran, dass der Zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts diese Hochschule der Akademie gleichgestellt hat. «Die Parteihochschule unterstand unmittelbar dem Zentralkomitee der SED», sagte der Vorsitzende Richter Ulf Domgörgen während einer Verhandlung am Donnerstag in Leipzig. «Sie stellte die höchste Bildungseinrichtung der SED dar und diente der »Kaderauslese«. Es sollten »zuverlässige, disziplinierte und marxistisch geschulte Funktionäre aufgebaut werden«. Deshalb wird dem höchstrichterlichen Urteil zufolge bei den Absolventen der Hochschule, die nach der Wende Beamte wurden, die Pension um die Rente, die sie für die Arbeit in der DDR-Zeit und bis zur Verbeamtung in der Bundesrepublik erhalten, gekürzt (Az. 2 C 25.15).
Davon betroffen ist auch George B., der von 1979 bis 1982 an der Parteihochschule studiert hatte und seitdem als Stellvertreter des Leiters der Zentralen Staatlichen Preiskontrolle für Investitionen des Amtes für Preise arbeitete. Im Jahr 1990 wirkte er drei Monate als Prüfer beim Rechnungshof der DDR, seit der deutschen Einheit dann bis 2010 beim Bundesrechnungshof. Dort wurde er 1994 verbeamtet und stieg bis zum Leitenden Regierungsdirektor auf, dem höchsten Amt im höheren Dienst. 2010 wurde er 65 Jahre alt und erreichte damit sein Pensions- und Rentenalter.
Seine Pension von rund 2200 Euro wurde dabei um seine Rente von etwa 800 Euro gekürzt, so dass ihm statt rund 3000 Euro monatlich insgesamt nur circa 2200 Euro zur Verfügung stehen. Nach dem erfolglosen Widerspruchsverfahren klagte er gerichtlich und bekam im September 2015 vor dem Verwaltungsgericht Berlin zum Teil recht. Dieses Urteil hätte dazu geführt, dass George B. etwa 3000 Euro im Monat zur Verfügung gehabt hätte. Doch dieses Urteil wurde nicht rechtskräftig, da sowohl B. als auch die Bundesfinanzdirektion Sprungrevision einlegten.
Erfolg hatte schließlich die Bundesfinanzdirektion, da die Leipziger Bundesrichter das Berliner Urteil aufhoben und die Klage von B. komplett abwiesen. Nun kann ein Beamter, der an der Parteihochschule studiert hat, laut dem Bundesbesoldungsgesetz auch widerlegen, dass er seine Position in der DDR aufgrund besonderer Systemnähe erhalten hat. »Dem Kläger ist es nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen«, ergänzte Richter Domgörgen. »Allein sein Vorbringen, er sei aufgrund seiner fachlichen Qualifikation ausgewählt worden, genügt nicht.«
B.s Anwalt Bernfried Helmers hatte versucht zu erreichen, dass die gesetzliche Regelung von den Bundesrichtern für verfassungswidrig erklärt wird - vergeblich. »Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zur Bewältigung der Folgen der deutschen Einheit eine besonders weite Typisierungsbefugnis eingeräumt«, begründete Richter Domgörgen. »In diesem Rahmen durfte er auch typisierend annehmen, dass sich die für die Übertragung einer Tätigkeit mit besonderer Systemnähe erforderliche politisch-ideologische Grundeinstellung bereits in Zeiten vor dieser Übertragung herausgebildet hat.« Das hat zur Folge, dass gar keine Arbeitsjahre zu DDR-Zeiten für die Pension berücksichtigt werden, auch nicht die Jahre vor dem Besuch der Parteihochschule.
Außerdem stellte der Zweite Senat fest, dass die gesetzliche Regelung »auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation nicht zu beanstanden ist, weil jedem Ruhestandsbeamten nach dem Gesetz zumindest die Mindestversorgung verbleibt«, wie Domgörgen ergänzte: »Im konkreten Fall liegen die Gesamtbezüge des Klägers sogar etwas höher.«
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