Freihandel abseits der Wahrnehmung

Alexander Ulrich und Steffen Stierle über fehlende Aufmerksamkeit für das geplante Abkommen der EU mit Japan

  • Lesedauer: 3 Min.

Während die breite Öffentlichkeit sich über die transatlantischen Abkommen TTIP und CETA (gelegentlich auch über TiSA) empört, verhandelt die EU zeitgleich rund 20 weitere Handelsverträge - darunter seit 2013 jenes mit Japan. Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten. Offenbar soll der Deal noch 2017 eingetütet werden.

Über die Inhalte ist weniger bekannt als über jene von TTIP und CETA. Das liegt am geringen öffentlichen Interesse. »Wir verhandeln abseits der Wahrnehmung«, sagt ein EU-Diplomat. Bei TTIP und CETA ist es dem öffentlichen Druck geschuldet, dass nach und nach immer mehr Informationen preisgegeben werden mussten. Je mehr ans Tageslicht kam, desto größer wurden die Empörung und damit der öffentliche Druck. Eine solche Dynamik gab es bei den Japan-Verhandlungen zu keinem Zeitpunkt.

Dem zufolge, was man weiß, wird sich der Japan-Deal hinter CETA nicht verstecken müssen. Zweifelsohne spielen auch hier klassische Zollsenkungen nur noch eine Nebenrolle, während der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse in den Vordergrund rückt. Dem Vernehmen nach werden dabei wohl die Harmonisierung von Standards im Automobilsektor sowie die Liberalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe eine zentrale Rolle spielen.

Zudem soll ein moderner Investorenschutz à la CETA Bestandteil des Abkommens sein. Dann würden auch japanischen Investoren Klagerechte eingeräumt werden - für den Fall, dass sie sich in der EU unfair behandelt fühlen oder eine indirekte Enteignung zu beklagen haben. Der Investorenschutz soll ganz ausdrücklich auf allen Ebenen, also bis in die einzelne Kommune hinein wirksam gemacht werden. So wurde es bereits 2012 im EU-Verhandlungsmandat festgelegt.

Das Verhandlungsmandat lässt zudem darauf schließen, dass auch hier Regulierungsräte vorgesehen sind, die im Interesse des internationalen Handels nach und nach bestehende Standards abbauen sollen. Auch Stillstandsklauseln sind vorgesehen, die die Vertragsparteien verpflichten, einmal umgesetzte Liberalisierungen nie wieder rückgängig zu machen. Weitere Schwerpunkte dürften auf der Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistung liegen.

Qualitativ ist also ein Abkommen zu befürchten, dessen Inhalte etwa jenen entsprechen, um die im Kontext der TTIP- und CETA-Verhandlungen seit Jahren gestritten wird. Vielleicht wird es auch schlimmer. Schließlich wurden TTIP und CETA aufgrund des öffentlichen Drucks zumindest stellenweise entschärft. Einen solchen Druck gibt es gegenüber den Japan-Verhandlungen leider nicht. Dabei ist die japanische Volkswirtschaft gegenüber der kanadischen ungleich bedeutsamer. Die Wirtschaftsleistung liegt um das Dreifache höher, das Handelsvolumen mit der EU um das Doppelte. Das jährliche Volumen japanischer Direktinvestitionen in die EU liegt hingegen noch deutlich hinter jenem der kanadischen. Hier dürfte es also noch Potenzial für zusätzliches Investment geben. Sollte dieses in relevantem Umfang durch das Handelsabkommen mobilisiert werden, weil Investoren mit üppigen Marktzugangsrechten ausgestattet werden, und sollten Investoren zugleich weitreichende Klagerechte eingeräumt werden, könnten die Folgen für öffentliche Dienstleistungen, Auftragsvergabe, Arbeitnehmerschutz, Umweltstandards heftig sein.

So stark der Protest der außerparlamentarischen und parlamentarischen Opposition gegen TTIP und CETA auch ist, so begrenzt sind die Möglichkeiten fokussierter Bewegungen. Wie es eine große Stärke ist, TTIP und CETA extrem zu politisieren und den öffentlichen Druck hochzufahren, so ist es eine Schwäche, den hohen Mobilisierungsgrad nicht in einen breiteren freihandelskritischen Diskurs übersetzt zu haben, der über das einzelne Abkommen hinausgeht.

Hilfreich wäre es, punktuelle Ansätze à la »TTIP ist böse« in einen generellen Diskurs über eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik zu übersetzen. Das vor Jahren von Nichtregierungsorganisationen vorgeschlagene »Alternative Handelsmandat« geht genau in diese Richtung. CETA und TTIP sind keine isolierten Probleme, sondern Teil einer breiten neoliberalen Globalisierungsagenda, die von der EU durch zahlreiche Abkommen an den verschiedensten Orten vorangetrieben wird.

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