»Projekteritis« muss enden

Sebastian Weiermann über zu viele Zeitverträge im öffentlichen Dienst

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst führten in den letzten Tagen in zahlreichen Bundesländern Warnstreiks durch. Nächste Woche wird mit den jeweiligen Ländern weiterverhandelt. Zentrale Forderung der Gewerkschaften ist eine Lohnerhöhung um sechs Prozent. Außerdem sollen die Bedingungen der Beschäftigten in verschiedenen Bereichen wie den Pflegeeinrichtungen unter Landesaufsicht an die, im letzten Jahr ausgehandelten Tarife der Kommunen angepasst werden. Für Auszubildende werden 90 Euro mehr Lohn und die garantierte Übernahme nach der Ausbildung gefordert.

Eine andere Forderung ist in der öffentlichen Diskussion nicht so präsent: Ver.di würde sachgrundlose Befristungen gerne tariflich ausschließen. Doch damit war die Gewerkschaft in den Tarifverhandlungen mit dem Bund und den Kommunen bereits im letzten Jahr gescheitert. Gerade der Bund weigerte sich, diesen Punkt festzulegen. In den nun anstehenden Tarifverträgen liegt das Thema wieder auf dem Tisch.

Der öffentliche Dienst der Länder ist in besonderem Maß von Befristungen betroffen. Über die Hälfte der Neueinstellungen ist befristet. In Ministerien wird immer wieder auf Projektbasis eingestellt. Auch Lehrer erhalten oft nur Zeitverträge. Besonders viele Befristungen gibt es in der Universität, wo faktische Verwaltungsstellen in projektgebundene Forschungsstellen umgedeutet werden und Beschäftigte oft aus Haushalts- und Drittmitteln gestückelte Verträge haben.

Befristete Verträge haben deutliche Auswirkungen auf die Lebensplanung. Umzüge stehen an der Tagesordnung. Der Leistungsdruck ist groß. Familiengründungen werden erschwert. Zeitweilige Arbeitslosigkeit ist keine Seltenheit. Bei Beschäftigten und Arbeitnehmern geht viel Zeit für das Erstellen und Sichten von Bewerbungen drauf. Viele von Befristungen Betroffene würden wahrscheinlich auf ein paar Euro Lohnerhöhung verzichten für die Aussicht auf eine Zukunftsplanung.

Die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sprach vor einigen Monaten davon, dass sie die »Projekteritis« beenden wolle, um Menschen eine bessere Planungssicherheit geben zu können. Die anstehenden Tarifverhandlungen wären doch ein guter Zeitpunkt, sie und ihre Amtskollegen wieder daran zu erinnern.

Noch vor den Bundestagswahlen finden in NRW, Schleswig-Holstein und dem Saarland Wahlen statt. In allen drei Ländern ist die SPD an der Regierung beteiligt. Die SPD will derzeit ihr soziales Gewissen beweisen. Würde sie nun das Thema Befristungen tatsächlich angehen, wäre dies ein starkes Zeichen. Darauf sollten die Gewerkschaften in den aktuellen Tarifverhandlungen nachdrücklich aufmerksam machen. Es würde sich für Tausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes lohnen.

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