Nach Neonazi-Rede: Ermittlungen wegen Volksverhetzung
Mehr als 1000 Menschen demonstrierten in Dresden gegen zwei Aufmärsche extrem Rechter / Insgesamt etwa 800 Neonazis in der Stadt
Rund 1000 Gegendemonstranten haben am Sonnabend in Dresden verhindert, dass das Gedenken an die Zerstörung der Stadt 1945 von rechten Aufmärschen dominiert wird. Etwa 200 Blockierer zwangen einen vom fränkischen Neonazi Gerhard Ittner angemeldeten Demonstrationszug an der Marienbrücke zu einer starken Verkürzung seiner Route. Ein weiterer Zug sächsischer freier Kameradschaften stieß in der Südvorstadt auf zwei kleinere Blockaden. Das Bündnis »Dresden Nazifrei« mobilisierte etwa 400 Anhänger. Kurzfristig hatte auch die »AG 13. Februar«, ein Vermittlungsforum für die Gestaltung des Gedenktages, zu einer Kundgebung aufgerufen. Insgesamt blieben die Teilnehmerzahlen auf beiden Seiten unterhalb der Erwartungen und Befürchtungen.
Die Innenstadt Dresdens war in der Nacht vom 13. zum 14.Februar 1945 von britischen und amerikanischen Bombern weitgehend zerstört worden. Nach Recherchen einer Historikerkommission kamen dabei etwa 25.000 Menschen ums Leben. Auf Plakaten der rechten Demonstrationen waren erneut Spekulationen über bis zu 500.000 Opfer zu lesen. Nach 1990 wurde der Dresden-Gedenktag zunehmend von Neonazis missbraucht. Die Märsche, zu denen Vertreter der gesamten europäischen Rechten anreisten, erreichten mit etwa 7000 Teilnehmern im Jahr 2009 ihren Höhepunkt. Zunehmende Einigungs- und Reaktionsfähigkeit in der gespaltenen Stadt ließen den Widerstand wachsen und die Nazi-Aufmärsche in den vergangenen Jahren in die Bedeutungslosigkeit herabsinken.
In diesem Jahr ist das Klima in Dresden durch zwei umstrittene Kunstwerke allerdings wieder angeheizt worden. Einer Bus-Barrikade in Aleppo zum Schutz der Zivilbevölkerung sind drei senkrecht gestellte Busse vor der Frauenkirche nachempfunden. Sie sollen an das vergleichbare Schicksal beider Städte erinnern. Auf dem Theaterplatz vor der Semperoper erinnern Fotos von Flüchtlingsgräbern auf Lampedusa an das Schicksal vieler Bootsflüchtlinge. Die rechte Szene hat daraus aber nur bedingt Kapital schlagen können. So konkurrierte die Versammlung des vorbestraften Gerhard Ittner aus Fürth mit der des einheimischen Nazis Maik Müller. Ittners Aufruf folgten etwa 250 vorwiegend ältere Dresdner, Müller mobilisierte etwa 500 meist jüngere Anhänger aus der freien Kameradschaftsszene. Ittner schmähte den Konkurrenten als einen vom Verfassungsschutz nach Durchlaufen eines Aussteigerprogramms gekauften Verräter und kündigte für die nächsten Jahre wieder größere Märsche an.
Derweil könnte eine Rede des Vorbestraften Neonazis Ittner ein juristisches Nachspiel haben. Er bezeichnete sich selbst am Samstag als »überzeugten Nationalsozialisten« und verherrlichte die NS-Ideologie als »Modell für die ganze Welt«. Nach Angaben der Polizei wurde Ittner schon während der Kundgebung angesprochen, man habe ihm die Auflösung der Versammlung angedroht. Nach Angaben eines Polizeisprechers ermittelt der Staatsschutz wegen des Verdachts der Volksverhetzung, nicht nur wegen der Redebeiträge von Ittner.
Ittner gebrauchte auch Wendungen wie »Dresden-Holocaust« und »Völkermord« in Bezug auf den Dresdner Luftangriff. Auch im konkurrierenden Aufzug fiel mehrfach der Begriff vom »Bombenholocaust«, mit dem der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel 2005 im Sächsischen Landtag für bundesweites Aufsehen und Empörung gesorgt hatte.
Ittner war bereits im November 2015 vom Landgericht Nürnberg-Fürth unter anderem wegen Volksverhetzung zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Auf der Abschlusskundgebung kündigte er den Schweizer Rechtsextremisten Bernhard Schaub als »bekennenden Holocaust-Leugner« und »Kämpfer für die Wahrheit« an. Er selbst nahm das Wort Holocaust-Lüge zwar nicht in den Mund, sprach aber »von der größten Lüge der Weltgeschichte«.
Trotz einer weitgehenden Verständigung über die verschiedenen Formen des Gedenkens und des Umgangs mit dem am Montag bevorstehenden Gedenktag zieht die Stadtgesellschaft aber immer noch nicht an einem Strang. So schloss sich Joachim Klose, der Moderator der AG 13. Februar, nicht der größten Gegendemo vom Bündnis Dresden Nazifrei an, sondern meldete äußerst kurzfristig eine eigene Versammlung in der Südvorstadt an. Man habe selber als AG Gesicht zeigen wollen, begründete Klose, der zugleich die Adenauer-Stiftung in Sachsen leitet, diesen Aufruf. Dem folgten nur wenige Dutzend Menschen, darunter aber prominente Politiker und sogar eine CDU-Stadträtin. Vor allem aber fand Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) wie schon in den vergangenen Tagen deutliche Worte und äußerte Genugtuung, dass es in den vergangenen Jahren gelungen sei, »wieder die gestalterische Oberhand zu gewinnen«.
Am Montag, dem eigentlichen Gedenktag, steht wie in jedem Jahr eine Menschenkette rund um die Innenstadt im Mittelpunkt. Für Dienstagabend hat allerdings die AfD zu einem »stillen Gedenken« aufgerufen, zu dem auch Pegida-Anhänger erwartet werden. mit Agenturen
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