Steinbrück gibt sich verantwortungsbewusst
Ex-Bundesfinanzminister sagt im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss zu illegalen Deals aus
Als Peer Steinbrück den Raum betritt, ist dieser noch recht leer. Steinbrück nutzt die Zeit, einen Parteikollegen und anwesende Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums zu begrüßen, einer von ihnen leiht später seinem einstigen Dienstherrn einen Kugelschreiber für Notizen. Dann lässt Steinbrück das obligatorische Fotoshooting über sich ergehen. »Sie müssen doch ein riesiges Archiv haben«, sagt er fast unhörbar zu den Fotografen, man merkt es ihm bei jeder Regung an, dass er überhaupt keine Lust auf diesen Termin hat.
Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat und bald Ex-Parlamentarier Steinbrück musste nämlich am Montag vor dem vierten Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Es ging um die sogenannten Cum-Ex-Deals, die bis 2012 möglich waren, und bei denen mehrfach die Kapitalertragssteuer zurückerstattet wurde, obwohl sie nur einmal geflossen ist. Neben Steinbrück mussten sich am Montag auch der ehemalige Staatssekretär Hans Bernhard Beus und der jetzige Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister (CDU) vor dem Ausschuss verantworten. Und am Donnerstag ist als einstweiliger Höhepunkt der jetzige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dran.
Auf zwölf Milliarden Euro wird der durch die Cum-Ex-Deals entstandene Steuerschaden geschätzt. Und es gibt viele, die in Steinbrück einen Hauptverantwortlichen sehen. Denn die Gesetzeslücke, die diese Deals ermöglichte, war in seiner Amtszeit bereits hinlänglich bekannt. So wurde das Ministerium etwa 2002 durch ein Schreiben des Bankenverbandes auf die Lücke im Investmentsteuerrecht hingewiesen. Trotzdem wurde sie erst 2012 endgültig geschlossen.
»Im Zweifelsfall immer der Minister«, platzt es Steinbrück raus, als es um die Frage geht, wer im Ministerium die politische Verantwortung trägt, wenn etwas schief läuft. Leider habe er damals nicht gewusst, was er heute wisse. »Ich war nicht klüger als sie«, verteidigt Steinbrück sich. Und überhaupt will der heute 70-jährige erst im Mai 2009 von dem Problem erfahren haben. Es sei damals die Rede gewesen von einem Risiko »erheblicher« Steuermindereinnahmen. Steinbrück will daraufhin auf die Tube gedrückt, auf eine »grundlegende Änderung« gedrängt haben. Doch dann war die Legislaturperiode zu Ende. Die Bundestagswahl 2009 führte zu einem schwarz-gelben Kabinett. Die SPD musste wieder auf der Oppositionsbank Platz nehmen, Steinbrücks vierjährige Amtszeit als Bundesfinanzminister endete im Oktober.
Dass Steinbrück das Jahressteuergesetz 2007 als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet, ist für den steuerpolitischen Sprecher der LINKEN im Bundestag, Richard Pitterle, »fast schon lächerlich«. Es sei nämlich längst hinreichend bestätigt, dass mit dem durch Steinbrücks Ministerium verfassten Gesetz und »seiner völlig verkorksten« Begründung die Cum-Ex-Maschinerie erst so richtig in Gang geriet».
«Steinbrück hat alle Anschuldigungen von sich gewiesen und versucht, sich als verantwortungsbewussten Minister darzustellen», so Pitterle. Leider habe er aber nicht erklären können, warum wichtige Schreiben zu Hinweisen auf Cum-Ex-Geschäfte seinen Schreibtisch nie erreichten. Für Pitterle, der für seine Fraktion im Untersuchungsausschuss sitzt, passt Steinbrücks geringer Beitrag zur Aufklärung gut ins Bild, das sich bis jetzt vom Bundesfinanzministerium zeichnen lässt: Dort sei die Leitungsebene offenbar stets schlecht informiert gewesen. Letztlich führte dies auch zum Fall des in den Medien als «Maulwurf» bezeichneten Arnold Ramackers, «der auf Arbeitsebene ungehindert agieren konnte», wie Pitterle erzählt.
Der ehemalige Finanzrichter Ramackers arbeitete zunächst von 2004 bis 2008 am Bundesfinanzministerium. 2010 war er dann noch mal für drei Monate dort beschäftigt. Zwischenzeitlich ließ er sich beurlauben und arbeitete in dieser Zeit selbstständig bis zu seiner Pensionierung für den Bankenverband und gleichzeitig auch für das Bundesfinanzministerium, bezahlt wurde er aber von der Kreditwirtschaft. Besonders brisant: Die 2007 gemachten Änderungen im Investmentsteuerrecht waren Vorschläge des Bankenverbandes. Und sie ließen eine große Lücke für dubiose Geschäfte. Die mehrfache Rückerstattung der Kapitalertragssteuer war weiterhin möglich, solange eine ausländische Bank zwischengeschaltet war. Experten zufolge nahm dies die Branche geradezu als Einladung zu weiteren krummen Geschäften.
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