Aushorchen, das geht gar nicht!
Untersuchungsausschüsse im Bundestag vernahmen Regierungsmitglieder
Berlin. »Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.« Mit ihrer Reaktion auf die NSA-Bespitzelungen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel 2013 vielen Menschen in Deutschland aus dem Herzen gesprochen. Am Donnerstag tagten im Bundestag in Berlin sage und schreibe vier Untersuchungsausschüsse - darunter der zum NSA-Skandal. Und die Kanzlerin war als Zeugin geladen. Dort bekannte sie sich zu ihrem Satz. Der sei noch heute nicht falsch, sagte sie, ohne sonst etwas zu sagen. Auf die Frage, wieso sie sich nicht für eine Zeugenaussage des Whistleblowers Edward Snowden vor dem Ausschuss eingesetzt habe, antwortete sie unwillig ausweichend: Snowden habe andere Möglichkeiten der Zeugenvernehmung selbst abgelehnt. Aushorchen unter Abgeordneten, das geht gar nicht?
Auch in weiteren Untersuchungsausschüssen konnte man am Donnerstag den Eindruck gewinnen, dass die anwesenden Regierungsmitglieder dieser Meinung sind. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich von allen Vorwürfen im Cum-Ex-Ausschuss frei, der windigen Geschäften von Finanzunternehmen nachgeht, mit denen diese den Staat um Steuern betrogen. Er habe alles getan, um das zu unterbinden, sagte Schäuble, und dass es nicht schneller ging, habe an den »außergewöhnlich anspruchsvollen« Verfahren gelegen. Vorwürfe mangelnder Aufklärung im Abgasskandal von VW wies Verkehrsminister Alexander Dobrindt im zuständigen Ausschuss zurück. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bestritt dort, vor 2015 etwas von den Manipulationen erfahren zu haben. Im Ausschuss zu den NSU-Morden hatten am Donnerstag zwei Chefs des Verfassungsschutzes das Wort, der jetzige und sein Vorgänger. Auch von ihnen war nichts Neues zu erfahren; was Wunder, sind sie doch selbst fürs Aushorchen zuständig. uka Seiten 6 und 9
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