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Mietboykott am Mariannenplatz

Protest gegen Sozialmieterhöhungen in Kreuzberg sammelt über 1000 Unterschriften

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Rosa Risch ist sauer. Das landeseigene Wohnungsunternehmen degewo will ab 1. März von ihr und über 1000 anderen Mietern rund um den Kreuzberger Mariannenplatz 13 Prozent mehr Miete haben (»nd« berichtete). Über 1000 Unterschriften gegen die Mieterhöhung haben die Betroffenen in wenigen Tagen gesammelt. An diesem Montag übergeben sie sie der zuständigen Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE).

»Es scheint so, dass die degewo Fakten schaffen will, bevor die vom neuen Senat angekündigten Restriktionen greifen«, sagt Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins (BMV). Tatsächlich laufen gerade die Verhandlungen mit den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften über eine neue Kooperationsvereinbarung mit dem Senat. Ein wichtiger Aspekt sind dabei die Mieterhöhungsmöglichkeiten der Wohnungsunternehmen. Zwei Prozent jährliche Steigerung sollen maximal laut rot-rot-grüner Koalitionsvereinbarung erlaubt sein. Auch eine unter Mietspiegelniveau liegende soziale Richtsatzmiete soll das bisherige Mietpreissystem im sozialen Wohnungsbau ablösen. »Ziemlich schlechter Stil« sei das Vorgehen der Landeseigenen, heißt es beim BMV.

580 Euro warm soll Rosa Risch ab 1. März monatlich für ihre 63 Quadratmeter große Sozialwohnung zahlen. »Das ist weit über die Hälfte meiner Rente«, sagt sie. Dass die degewo in dem Schreiben noch über verschiedene Mietzuschüsse informiert, empfindet sie als Hohn. »Seit meine Tochter ausgezogen ist, gilt die Wohnung als zu groß für mich.« Die Zuschüsse werden bei einer Bewohnerin für maximal 50 Quadratmeter Wohnfläche gewährt. »Ich finde doch keine kleinere Wohnung mehr hier in der Gegend«, sagt Risch. »Seit 36 Jahren wohne ich hier, mehr als mein halbes Leben. Ich kann mir nicht vorstellen, an den Stadtrand zu ziehen.« Ein »Trauma« sei die Situation - »ich würde doch mein ganzes soziales Netzwerk verlieren«.

So wie Risch geht es vielen Kiezbewohnern. Darunter sind auch viele türkischstämmige Menschen, die mehr schlecht als recht Deutsch sprechen. Darum werden bei jedem Treffen alle Informationen über die Entwicklung auch auf Türkisch gegeben. Seit Monaten treffen sie sich regelmäßig. Es geht um Vernetzung, Information und Widerstand. Fachlichen Rat gibt auch Sebastian Bartels, Anwalt des Berliner Mietervereins. »Die Mieterhöhung sollten betroffene Mieter für März nicht überweisen oder nur unter Vorbehalt«, so seine Einschätzung.

»Juristisch gibt es kaum eine Chance, gegen die Mieterhöhung anzugehen«, sagt Rouzbeh Taheri vom Mietenvolksentscheid. 2011 bekamen die Wohnungsbaugesellschaften die Erlaubnis, Mieterhöhungen zu fordern, auch wenn die zugrundeliegenden Darlehen für den Bau der Häuser bereits abgelöst wurden. »Die degewo müsste diese Mieterhöhung nicht einfordern, aber sie will es«, so Taheris Einschätzung. Das Problem müsse also politisch gelöst werden.

Insgesamt verschickten die städtischen Wohnungsbaugesellschaften im letzten Quartal 2016 über 26 000 Mieterhöhungsverlangen, wie die Antwort auf die Schriftliche Anfrage der LINKEN-Abgeordneten Marion Platta ergab. Das sind knapp neun Prozent des Bestands. Bei mindestens 1500 Wohnungen stieg die Miete um über zehn Prozent.

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