Durchsuchung bei Präsidentschaftskandidat Fillon

Juppé würde Präsidentschaftskandidaten Fillon bei dessen Rückzug ersetzen / Frankreichs Ex-Premier de Villepin fordert Konservativen zum Rückzug auf

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Update: Juppé würde Präsidentschaftskandidaten Fillon bei dessen Rückzug ersetzen

Der frühere französische Premierminister Alain Juppé würden den konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon nach dessen möglichem Rückzug ersetzen. Das verlautete am Freitag aus Juppés Umfeld. Bislang hatte der Bürgermeister von Bordeaux abgelehnt, für Fillon einzuspringen, sollte dieser wegen der Scheinbeschäftigungsaffäre auf seine Kandidatur zu verzichten.

Durchsuchung bei Präsidentschaftskandidat Fillon

Paris. Ermittler haben die Pariser Wohnung des französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon durchsucht. Der Konservative steht wegen des Verdachts einer Scheinbeschäftigung seiner Frau auf Parlamentskosten unter Druck. Ermittler hätten sich bereits am Donnerstagvormittag zum Pariser Wohnsitz des Paars begeben, berichtete die Zeitung »Le Parisien« unter Berufung auf »übereinstimmende Quellen«. Die Aktion wurde der französischen Nachrichtenagentur AFP aus dem Umfeld des Kandidaten bestätigt.

Fillon verliert derweil auch im eigenen Lager an Zustimmung. Eine Reihe von Politikern seiner Republikaner-Partei gingen auf Distanz und forderten ihn zum Rückzug auf. Bei einem Auftritt in Nîmes präsentierte Fillon sich jedoch als »Kämpfer«: »Was einen nicht umbringt, macht einen stärker«, rief er seinen Anhängern zu.

Nach Informationen der Zeitung »Le Journal du Dimanche« beschlagnahmten die Polizisten bei der Durchsuchung mehrere Dokumente. Die Nationale Finanz-Staatsanwaltschaft äußerte sich auf Anfrage nicht und verwies auf das Ermittlungsgeheimnis.

Der frühere französische Premierminister Dominique de Villepin hat unterdessen den angeschlagenen Präsidentschaftskandidaten zum Rücktritt aufgefordert. Beide gehören zum konservativen Lager. »Er kann nicht mehr Kandidat sein, weil er keinen inhaltlichen Wahlkampf mehr führen kann, um seine Ideen und ein republikanisches und demokratisches Ideal zu vertreten«, sagte de Villepin am Freitag im Sender Europe1.

Fillon hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass er für den 15. März von den Ermittlungsrichtern vorgeladen ist. Dabei droht ihm die Eröffnung eines Verfahrens. Die Justiz ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der Hinterziehung öffentlicher Gelder. Penelope Fillon war jahrelang als parlamentarische Mitarbeiterin ihres Mannes angestellt. Fillon weist den Vorwurf einer Scheinbeschäftigung zurück und hatte die Ermittlungsbehörden mehrfach schwer kritisiert, er sprach von einer »politischen Ermordung«.

Die Zeitung »Libération« zählte bis Donnerstagabend 56 Politiker der Republikaner-Partei und ihrer Verbündeten, die von Fillons Kampagne abrückten, darunter Abgeordnete und Senatoren. Der Schatzmeister von Fillons Kampagne, Gilles Boyer, reichte seinen Rücktritt ein. 17 Bürgermeister und kommunale Mandatsträger forderten Fillon in einem Gastartikel in der Zeitung »L›Opinion« auf, sich zurückzuziehen: Ein »moralischer Pakt« sei gebrochen worden. Ursprünglich hatte Fillon gesagt, im Fall eines Verfahrens gegen ihn nicht anzutreten - davon war er am Mittwoch abgerückt. Für Sonntag sind Anhänger Fillons zu einer Demonstration für den Kandidaten in Paris aufgerufen.

Fillon galt ursprünglich als Favorit der Präsidentschaftswahl am 23. April und am 7. Mai. Infolge der Affäre sanken seine Umfragewerte, inzwischen liegt er auf Platz Drei hinter der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem früheren Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Damit käme er nicht in die entscheidende Stichwahl.

Auch die Rechtspopulistin Marine Le Pen hat Ärger mit der Justiz. Sie verlor wegen der Verbreitung von Gewaltbildern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Donnerstag ihre parlamentarische Immunität. Das Europaparlament stimmte mit breiter Mehrheit dafür, Le Pens Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung in diesem Fall aufzuheben. Die Präsidentschaftskandidatin könnte nun wegen der Vorwürfe vernommen werden. Am Ende könnte ein Strafprozess stehen.

Auswirkungen auf ihre Wahlchancen muss dies jedoch nicht haben. Le Pen (48) ist es bislang stets gelungen, ihrer Wählerschaft Ermittlungen gegen sie als politisch motiviert zu verkaufen. Sie wollte sich mit den Bildern nach eigenen Angaben gegen eine Fernsehshow wehren, in der aus ihrer Sicht eine Parallele zwischen ihrer Partei Front National (FN) und dem IS gezogen worden war. Agenturen/nd

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