»Wie ein trockener Alkoholiker«

Das Europaparlament prüfte bei einem Besuch, ob Luxemburg aus den letzten Steuerskandalen gelernt hat

  • Luc Caregari, Luxemburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob es Absicht war, sei dahingestellt. Jedenfalls fand die Pressekonferenz der Europaparlamentarier im wohl hässlichsten Gebäude des Luxemburger Banken- und EU-Institutionsviertel statt: dem asbestverseuchten und zum Abriss freigegebenen Schumann-Gebäude. So strahlte der Saal, in dem die Abgeordneten Werner Langen (EVP), Bernd Lucke (AfD-Gründer und nun »liberal-konservativer Reformer«) sowie Sven Giegold (Grüne) der Presse begegneten, die Atmosphäre der 1980er Jahre aus. Es waren Zeiten, in denen die EU noch im Aufbau war und das Großherzogtum tatkräftig mithalf. In denen gleichzeitig aber auch der Finanzplatz Luxemburg expandierte und schamlos von Steuerlücken profitierte.

Eine Epoche, an die man sich hier ungern erinnert: »Als Rheinländer kenne ich Luxemburg schon länger und wusste auch um die Zustände am Finanzplatz«, erzählte Langen. Die aktuell Regierenden würden aber ungern daran erinnert. Sie müssten nach vorne schauen, sei die Botschaft unter Verweis auf die bereits abgelegte Reue nach dem LuxLeaks-Skandal und den eilig umgesetzten EU-Direktiven gewesen, die Langen und die anderen Parlamentarier von den Offiziellen aus dem Großherzogtum zu hören bekamen. »Es ist ein bisschen wie mit einem trockenen Alkoholiker, der versucht, jedem Glas aus dem Weg zu gehen«, resümierte der konservative Politiker die Treffen.

Er und seine Parlamentarierkollegen weilten Donnerstag und Freitag in dem Großherzogtum, um zu erfahren, inwieweit der Luxemburger Finanzplatz Konsequenzen aus den Skandalen um LuxLeaks und Panama Papers gezogen hat. Die LuxLeaks deckten auf, wie das Großherzogtum internationalen Konzernen jahrelang dubiose Steuerspardeals gewährte. Bei den Panama Papers wurde öffentlich, wie Vermögenden geholfen wurde, mit Hilfe von Briefkastenfirmen ihr Geld zu verstecken.

Gesprochen haben die Abgeordneten mit Finanzminister Pierre Gramegna und Justizminister Felix Braz, mit der Finanzkommission des luxemburgischen Parlaments, der Aufsichtsbehörde CSSF, der Anwaltsvertretung und mit Vertretern von der Beraterfirma PriceWaterhouseCoopers (PWC) sowie von HSBC. Die Vertreter des Straßburger Parlaments bemängelten, dass es an den Ressourcen fehle, die nun verabschiedeten Gesetze auch in die Praxis umzusetzen und dass vor allem die CSSF viel zu wenig unternehme, um die schmutzige Vergangenheit aufzuarbeiten. So sind von den 403 aus den Panama Papers bekannten Vermittlern von Briefkastenfirmen in Panama, die von Luxemburg aus gegründet wurden, bis dato nur 73 von den Finanzbehörden des EU-Mitgliedes befragt worden.

Der eigentliche Skandal sind aber die vielen Einladungen, die von luxemburgischen Akteuren ausgeschlagen oder erst gar nicht beantwortet wurden. Dazu gehören Kulturstaatssekretär Guy Arendt, der als Wirtschaftsanwalt in den Panama Papers auftaucht, Staatsratsmitglied Alain Steichen, der auch für die Beratergesellschaft Ernst&Young tätig ist, sowie Carlos Zeyen, ehemaliger Kopf der EU-Justizbehörde Eurojust. Auch die Banken blockierten offenbar wie auch die mächtigen Unternehmensberaterfirmen, die »Big Four«, deren Einfluss auf die Politik im Großherzogtum der LuxLeaks-Skandal ebenfalls deutlich gemacht hat.

Aus gut unterrichteten Kreisen war auch zu erfahren, dass Finanzminister Gramegna in Erwägung zog, die Kommission mit dem Argument zu delegitimieren, dass Steuerpolitik Ländersache sei und nicht unter die Hoheit des EU-Parlaments falle. Diese Pläne zog er aber später zurück und bemühte sich, auf die Reformen und den neu errungenen Musterschülerstatus des Landes zu verweisen.

Dass die Reformen ernst gemeint sind, zweifelte auch Sven Giegold nicht an: »Luxemburg hat auf EU-Ebene während seiner Ratspräsidentschaft 2015 Gesetze durchgebracht, die ohne das Land nicht möglich gewesen wäre«, so der Grünen-Europaabgeordnete. Leider habe sich das Großherzogtum nach dieser Periode immer wieder als Bremser betätigt - zumal wenn es darum ging, den Zwang aufzuheben, dass EU-weite Steuergesetze einstimmig verabschiedet werden müssen.

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses »Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerflucht« des Europaparlaments soll nach Ostern erscheinen. Nächste Station des Ausschusses ist der US-Bundesstaat Delaware.

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