Wie einst in den 1930er Jahren?
Die Attraktivität des Rechtspopulismus und die von ihm ausgehenden Gefahren
Rechtspopulismus stellt eine ernste Bedrohung dar. Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur Linke. Der Geschäftsführer von Human Rights Watch, Kenneth Roth, betrachtet ihn als akute Bedrohung für den Schutz grundlegender Rechte und als Ermutigung für Menschenrechtsverletzungen und -verletzer. Amnesty International spricht in dem am 21. Februar veröffentlichten Jahresbericht der Organisation von einem weltweiten Trend zu einer Politik, die auf Spaltung und Wut setzt. Die Organisation sieht durchaus Parallelen zu den 1930er Jahren. Politiker würden immer öfter auf eine Rhetorik »Wir gegen die anderen« setzen, wodurch Hass und Angst ein Ausmaß erreicht hätten wie zuletzt vor dem Zweiten Weltkrieg.
Mit der Attraktivität des Rechtspopulismus und ihren Ursachen hat sich die Psychologin Almuth Bruder-Bezzel intensiv beschäftigt. Auf dem Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie wird sie darüber referieren. »neues deutschland« sprach vorab mit ihr. Rechtspopulistische Bewegungen seien, so die These von Bruder-Bezzel, psychologisch gesehen, eine kollektive Verarbeitung ökonomischer und politischer Faktoren, die sich besonders in krisenhaften Lebenslagen auswirken. An erster Stelle stehe dabei nicht die Flüchtlingsfrage, vielmehr gehe es um Sozialabbau, prekäre Arbeitsverhältnisse und das Ausgeliefertsein durch eine angeblich »alternativlose« Politik. Dies werde derzeit dadurch bestätigt, dass Martin Schulz (SPD) - indem er die soziale Gerechtigkeit ins Zentrum rückt - Zuspruch für seine Partei gewinnt.
Die Form des Auftretens der Rechtspopulisten ist für Bruder-Bezzel mindestens so wichtig wie die Inhalte, für die sie stehen. »Sie kommen provokant daher und versprechen damit indirekt Stärke und Zusammenhalt in der Gemeinschaft sowie die Überwindung von Ohnmachtsgefühlen und enttäuschter Wut auf die Oberen.« Der Abwertung anderer Ethnien und dem Hass auf Eliten und Minderheiten gegenüber stehen Bruder-Bezzel zufolge Konzepte der Zugehörigkeit zur völkischen Gemeinschaft als der Gemeinschaft der angeblich Gleichen. »Sie führen einen Kulturkampf von rechts und verstehen sich als Widerstandsbewegung und als Fundamentalopposition, was sie auch wegen ihrer ökonomisch neoliberalen Ausrichtung nicht sind.« Die Rechtspopulisten lockten einen Teil der prekär Beschäftigten und Arbeitslosen, fänden aber auch Anklang bei einer stark verunsicherten Mittelschicht, Akademikern mit befristeten Arbeitsverträgen und anderen, denen sie durch vage ideologische Verheißungen ein Ventil lieferten.
Auch die Idee der Volkssouveränität (Bürger an die Macht!) richtet sich aus Bruder-Bezzels Sicht gegen Bevormundung, stärkt das Selbstbewusstsein und das Zusammengehörigkeitsgefühl, das viele vermissten. Konsequent baue die Alternative für Deutschland deshalb auf das anrührende Trugbild heiler nationaler Gemeinschaften, die sich gegen Eindringlinge zur Wehr setzen. Bruder-Bezzel fühlt sich dabei an den Sozialpsychologen und Romancier Manes Sperber und seine 1937 vorgenommene Analyse der Ursachen für die Herausbildung einer faschistischen Anhängerschaft erinnert. »Sperber nannte damals ähnliche Bedingungen wie ich sie heute sehe: mangelnde Lebensfreude (Entfremdung); die Arbeitslast sowie Arbeit, die nicht gewollt und gewählt ist. Er beklagte die fehlenden Chancen auf gesellschaftliche Anerkennung, das Gefühl der Minderwertigkeit bzw. des Überflüssig-Seins. Und schließlich sprach er von der mangelnden Fähigkeit, gesellschaftliche Vorgänge zu erkennen, woraus die Bereitschaft resultiere, sich auf vereinfachende Erklärungen und Lösungsversprechen einzulassen, wie sie heute u.a. die AfD für noch viel komplexere gesellschaftliche Prozesse liefert.«
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