CIA-Spione in der Wohnung
WikiLeaks enthüllt Hacker-Werkzeuge des US-Geheimdienstes / Frankfurt Zentrum von Cyberattacken
Erst einmal herrschte Schweigen im offiziellen Washington. Ein CIA-Sprecher am Dienstagabend (Ortszeit): »Wir kommentieren keine angeblichen Geheimdienstdokumente.« Aber Michael Hayden, einst Chef des Auslanddienstes, meinte schon unmittelbar nach den jüngsten WikiLeaks-Enthüllungen: Das sei ein »sehr umfangreicher Bericht von Taktik, Vorgehen, Zielen und politischen Regeln« zur Führung des Geheimdienstes - mit großem Schadenspotenzial. Auch Edward Snowden schätzt die Dokumente als glaubwürdig ein. Die »New York Times« sieht sie in ihrer Bedeutung auf einer Stufe mit seinen und den Enthüllungen von Chelsea Manning.
Insgesamt geht es um einen Datensatz von 7818 Webseiten und 943 Anhängen aus den Jahren 2013 bis 2016 mit Programmier- und anderen Tricks aus der Welt der Schlapphüte. Auf sie konnten Angehörige des Center of Cyber Intelligence (CCI) in einem separaten Netz zugreifen - eine auf 5000 Köpfe geschätzte Spezialtruppe für Hackerangriffe. Nicht wenige von ihnen werden im europäischen CCI-Zentrum Frankfurt am Main verortet, wo sich einer der weltweit wichtigsten Internetknotenpunkte befindet. Der Infrastrukturspezialist DE-CIX bündelt dort Datenströme vieler Großkunden. Zu ihnen gehören Facebook, Google, Microsoft, Deutsche Telekom und Vodafone, aber auch russische Firmen wie Rostelekom oder Megafon. DE-CIX ist eigenen Angaben zufolge zentrale Internetschnittstelle für Osteuropa.
Die Cyberspione sollen vom US-Konsulat aus u.a. gezielt Smartphones in Europa, Afrika, China und Nahost angezapft haben. Auch Fernseher, Notebooks, Tablets und internetfähige Haushaltsgeräte sind Ziele ihrer Malware, Viren und Trojaner. Programme, mit denen Bordcomputer von Fahrzeugen gekapert werden können, lassen sogar kaum noch nachweisbare gezielte Tötungen befürchten. Kein Betriebssystem, keine Plattform oder Festplatte scheint noch sicher.
So bemühten sich Hersteller am Mittwoch um Schadensbegrenzung: Viele Sicherheitslücken seien längst geschlossen. Nachrichtendienste wie WhatsApp bestritten, dass ihre Verschlüsselung geknackt worden sei. Ihr ohnehin gestörtes Verhältnis zur US-Regierung dürfte sich durch die Enthüllungen aber kaum verbessern. Beobachter vermuten zudem, dass diese Präsident Trump neue Munition in seinem Privatkrieg mit der CIA liefern könnten.
Die Dokumente belegen zudem eine enge Kooperation der CIA mit FBI und befreundeten Diensten wie dem britischen GCHQ. Auch deutsche Spione sind in Frankfurt seit Langem aktiv. Deshalb klagte der Knotenbetreiber im Vorjahr vor dem Bundesverwaltungsgericht, um die »Praxis der strategischen Fernmeldeüberwachung« überprüfen zu lassen. Grünen-Politiker Konstantin von Notz forderte »rechtsstaatliche Regeln für IT-Sicherheit«. Wie WikiLeaks-Gründer Julian Assange jetzt erklärte, seien die Dokumente nur die erste Tranche einer größeren Sammlung.
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