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Den Terror im Nacken

Paris-Nizza 2017: Bedrückende Atmosphäre beim achttägigen »Rennen zur Sonne«

  • Tom Mustroph, Nizza
  • Lesedauer: 4 Min.

Paris-Nizza war bislang nur ein Radrennen. Ein besonderes, von den Werbestrategen verkauft als das »Rennen zur Sonne«. Jetzt verbindet die Fernfahrt zwei Anschlagsorte: Paris, im November 2015 von den Schüssen im »Bataclan« erschüttert, und Nizza, im Juli 2016 von einem Attentäter mit einem Lastwagen verheert. Das verändert die Veranstaltung selbst: mehr Polizei, mehr Straßensperren. Für Besucher, Teilnehmer und Berichterstatter kommt deshalb bei Paris-Nizza 2017 eine neue Disziplin dazu: der Hindernislauf. Wer in den Start- oder Zielbereich gelangen will, wird von Sperren aufgehalten: Betonblöcke, die den Zugang blockierten, Autos, die als Hindernisse postiert waren. Und immer wieder Polizisten mit Maschinenpistolen, die Ausweise und Zugangsberechtigungen kontrollierten.

Nicht einmal der Einsatzleiter der Polizei im Etappenziel von Fayence wusste genau, wie viele Sperren es allein im Zielbereich gab. »Das sind viele, enorm viele. Ich habe keine Zahlen, aber es sind viele«, sagte er gegenüber dem »nd«. Die Atmosphäre ist bedrückend. Denn zusätzlich zu den vielen Polizisten sind sogar schwer bewaffnete Armeepatrouillen im Einsatz. Frankreich befindet sich seit den Anschlägen in Paris 2015 noch immer im Ausnahmezustand. Das Attentat in Nizza im Juli 2016 habe weitere Gründe für die Verlängerung dieser Maßnahme geliefert. Und dass bei Paris-Nizza die Vorkehrungen ganz besonders umfangreich ausfallen, begründet der Gendarmeriehauptmann gerade mit der Symbolkraft der Austragungsorte: Paris und Nizza, klar.

Die Sicherheitsvorkehrungen belasten aber auch das Budget. Laut Auskunft vom Rennorganisator Amaury Sport Organisation (ASO) haben sich die Sicherheitskosten insgesamt um 30% erhöht. Wird dies Normalzustand, belastet es den Sport.

Schon jetzt sorgen die Maßnahmen für Konflikte. »Ich mag es nicht, Polizisten mit Gewehren zu sehen. Es fühlt sich nicht gut an. Aber sie sind natürlich da, um uns zu schützen. Es ist allerdings nicht das Leben, das ich mir wünsche, so von Waffen umgeben zu sein«, sagt freimütig Patrick Lefevere, Rennstallchef von Quick Step, und Arbeitgeber von Sprintstar Marcel Kittel.

Es gab auch einen Zwischenfall: Französischen Medien zufolge wollte sich ein Geschäftsmann von den zusätzlichen Straßensperren für das Rennen nicht aufhalten lassen. Beim Durchbruch durch die Barriere schleifte er sogar einen Polizisten einige Meter mit.

In Nizza selbst, dem Ziel des achttägigen Rennens, ist der Anschlag noch immer in den Köpfen der Einwohner. »Das ist ja noch weniger als ein Jahr her. Die Leute bleiben jetzt eher zu Hause, auch wenn es Events gibt. Sie sind zufrieden, dass es sie wieder gibt, bleiben aber daheim. Man denkt andauernd daran. Auch ich. Bei jedem Event, jedem Lastwagen, jedem Krach«, erzählt die Betreiberin des Zeitungskiosks an der Promenade des Anglais. Der Kiosk ist keine 100 Meter von dem Punkt entfernt, an dem der Lkw beim Anschlag schließlich zum Stehen kam. Die komplette Stille am Tag danach, nur unterbrochen vom Weinen der Freunde und Angehörigen der Opfer und der Anblick der weißen Leichensäcke auf der Promenade haben sich fest ins Gedächtnis der Zeitungsfrau eingeprägt.

Die Taxifahrer, kernige Burschen, werden ebenso sofort ernst, wenn der Anschlag zum Thema wird. »Wir reden andauernd darüber. Das hat viel Leid gebracht. Und auch wirtschaftliche Rückschläge. Der Tourismus ist stark zurückgegangen. Aber es geht langsam wieder aufwärts. Es braucht Events, damit die Leute, das vergessen«, sagt Robert, der seit 28 Jahren mit dem Taxi in Nizza unterwegs ist.

Und weil es seiner Meinung nach Events braucht, freut er sich über die Ankunft von Paris-Nizza. Erst recht, dass die Zielpassage wieder auf dem Uferboulevard ist. »Das ist gut, das ist ein sehr gutes Zeichen. Denn das Leben geht ja weiter. Unser Problem ist, dass es keine Events mehr auf der Uferpromenade gab. Das ist jetzt das erste Mal, dass sie seit Juli letzten Jahres die Uferstraße für eine Veranstaltung sperren. Selbst der Karneval musste ins Zentrum umziehen und durfte nicht auf der Promenade sein«, berichtet er.

Auf die traditionelle Promenade des Anglais ging es aber trotzdem nicht. Zu groß ist noch der Respekt vor den Opfern des Anschlags, als dass die Radprofis ausgerechnet auf dem Weg des Todestrucks ihren Zielsprint austragen sollen. Kurz vor diesem Unglücksort ist Schluss.

Ein Kompromiss in Zeiten von Terrorismus, dem Gedenken an die Opfer und dem Willen, trotz allem das Leben fortzuführen. Paris-Nizza ist nicht mehr einfach nur noch das »Rennen zur Sonne«. Es trägt die Geschichte des Terrors auch in seinem Namen.

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