Werbung

Flakhelfer, mitte-links

Ewige Hoffnung der SPD - der langjährige Spitzenpolitiker Horst Ehmke ist verstorben

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Er also auch, hieß es vor einem Jahrzehnt, als Horst Ehmke letztmals in die Schlagzeilen geriet. Die Information war aufgetaucht, dass der 1927 in Danzig geborene SPD-Politiker ab 1944 als Mitglied der NSDAP geführt worden war. Nach dem späten Bekenntnis von Günter Grass zu seiner SS-Mitgliedschaft fanden solche biografischen Details bundesrepublikanischer Honoratioren zu diesem Zeitpunkt viel Beachtung.

Ehmke sagte damals, er habe nichts von seiner Mitgliedschaft gewusst. Historiker streiten darüber, ob unwissentliche Mitgliedschaften gegen Kriegsende möglich waren - weil etwa eifrige Hitlerjugendführer ganze Jahrgänge pauschal angemeldet hätten. Da es Parteidokumente gibt, in denen die Aufnahme mangels Unterschrift verweigert wurde, ist dies zumindest zweifelhaft.

Signifikant ist rückblickend etwas anderes. Ehmkes Tod, der am Montagmorgen bekannt wurde, steht für den Abschied eines bestimmten Teils der »Flakhelfergeneration«, die Kurs und Gestalt der Bundesrepublik maßgeblich prägte. Einzusortieren ist er zwischen den Schriftstellern Martin Walser und Siegfried Lenz, dem Kabarettisten Dieter Hildebrand oder auch dem etwas älteren Ex-Bundespräsidenten Walter Scheel - nicht nur, weil all die genannten wie er angeblich unwissentlich in der NSDAP waren. Sondern auch, weil sie einen Weg und eine Agenda teilten.

Diese Kohorte, mit Krieg und Faschismus noch in Berührung gekommen, orientierte sich nach 1950 linksliberal - und stand um 1970 bereit, »1968« in jene Mitte-links-Reformen zu überführen, die die BRD vom Ruch des Nazismus reinigten und zu einem geachteten Mitglied der »westlichen« Staatengemeinschaft machten. Manche Historiker nennen dies die »zweite Gründung« der Bundesrepublik.

Ehmke verkörperte diesen Typus ganz klassisch. Der Sohn einer bürgerlichen Arztfamilie studierte nach kurzer Kriegsgefangenschaft Wirtschaft und Jura - sowie 1949 und 1950 Geschichte und Politik an der US-Eliteuni Princeton. 1947 in die SPD eingetreten, arbeitete er erst als Referent eines Bundestagsabgeordneten, dann für die einflussreiche Ford-Stiftung, um bereits 1961 - noch nicht einmal 35 - einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht zu beziehen.

Zu den Feinen und Mächtigen hatte ein Mann seines Hintergrunds weniger Berührungsängste als manch Sozialdemokrat älterer Schule. So ist sein rascher Aufstieg in den Regierungsapparaten nicht verwunderlich: 1967 wurde er Staatssekretär im Justizministerium, im März 1969 Justizminister. Nach Willy Brandts Sieg im Herbst 1969 war er als »Bundesminister für besondere Aufgaben« und Kanzleramtschef einer dessen engsten Berater - speziell auch in der Entspannungspolitik. 1972 wurde er Minister für Forschung, Technologie sowie das Post- und Fernmeldewesen. Er galt als Riesentalent der SPD, als »Spezialist für alles«, als »Kronprinz« - bis zu Brandts Sturz über den DDR-Spion Günter Guillaume.

Seit Helmut Schmidts Amtsübernahme 1974 spielte Ehmke keine Rolle mehr in der Regierung. Und auch in der Partei sank die Bedeutung des scharfzüngigen und intelligenten Redners, wiewohl er noch bis 1990 außenpolitischer Sprecher der Fraktion war. Ehmke nahm es, soweit bekannt, gelassen. Und widmete sich unter anderem dem Schreiben von Kriminalromanen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.