Renault neben Volkswagen auf der Anklagebank

Autokonzern soll seit 25 Jahren Tests gefälscht haben / Fast 900 000 Autos in Frankreich und Europa könnten betroffen sein

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass VW kein Einzelfall war und auch der führende französische Autokonzern Renault bei Abgaswerten von Dieselmotoren schummelte, wurde schon Anfang 2016 vermutet. Was damals unbewiesener Verdacht war, hat sich zur Gewissheit verdichtet. Laut einem am Mittwoch durch die Zeitung »Libération« bekannt gewordenen Bericht der Behörde für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung DGCCRF wurde bei Renault mindestens seit sieben Jahren bei Abgastests und -werten betrogen. Wie ein Ex-Renault-Techniker Journalisten bestätigte, wurden einige Fälschungspraktiken bereits 1990 eingeführt.

Als nach Bekanntwerden des Skandals bei VW Anfang 2016 auch andere Marken unter die Lupe genommen wurden, stellten Experten bei etlichen Renault-Modellen zum Teil erhebliche Diskrepanzen zwischen den angegebenen und den tatsächlichen Werten fest. Hier setzte die DGCCRF an - und wurde fündig. Renault-Chef Carlos Ghosn hatte im Januar 2016 in einem Fernsehinterview ausdrücklich bestritten, dass bei Renault »Software zur Verfälschung von Messwerten« eingesetzt wurde. Auch jetzt erklärt der Konzern, dass er nicht mit »Fälschungssoftware« gearbeitet habe.

Doch das scheint nur Ablenkungsmanöver zu sein: Wie die DGCCRF feststellte, wurden »die Motoren bei Tests so manipuliert, dass der Ausstoß von Stickstoffoxid unter den Grenzwerten der Zulassungsvorschriften lag«, heißt es »Libération« zufolge im Untersuchungsbericht.

Eine Hausdurchsuchung bei Renault am 7. Januar 2017 förderte Material zutage, das den Verdacht erhärtete. Seit dem 12. Januar läuft ein strafrechtliches Untersuchungsverfahren gegen den Konzern. Laut Angaben von Zeugen aus dem Werk waren zahlreiche Manager beteiligt oder zumindest informiert, bis hin zu Konzernchef Carlos Ghosn. An Renault ist der Staat zu 15 Prozent beteiligt, deshalb fordern die Gewerkschaften, die sich Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft des Konzerns machen, eine konsequente Reaktion der Regierung.

Im Zentrum der Ermittlungen stehen vier Renault-Modelle mit Dieselmotor: die Limousine Talisman und das Stadt-Allradfahrzeug Kadjar sowie die Kleinwagen Captur und Clio IV. Sie waren besonders negativ aufgefallen, als Umweltministerin Ségolène Royal als Reaktion auf die VW-Affäre im Frühjahr 2016 alle französischen Automodelle untersuchen ließ. Der Captur und der Clio IV sind besonders beliebt. Den Daten zufolge liegen ihre tatsächlichen Abgaswerte um 377 beziehungsweise 305 Prozent über den offiziell angegebenen. Insgesamt sind laut der DGCCRF 898 557 Autos betroffen, die fast alle noch auf der Straße unterwegs sind.

Schon beim Test vor einem Jahr war der Clio besonders negativ aufgefallen: »Offiziell entsprach sein Abgaswert der Euro-5-Norm, der derzeit höchsten in Europa, doch bei den Praxistests erreichte er nicht einmal den für die Zulassung im Straßenverkehr nötigen Wert«, erinnert sich Charlotte Lepitre, Sprecherin der Umweltorganisation France Nature Environnement, die am Test als Beobachter beteiligt war. »Eigentlich hätte man schon damals sofort alle betroffenen Renault-Modelle aus dem Verkehr ziehen müssen«, meint sie. »Immerhin sterben allein an Stickstoffoxid in Frankreich jährlich 7700 Menschen.«

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