Schulz will an Hartz-IV-Sanktionen festhalten
LINKE und Grüne kritisieren SPD-Kanzlerkandidaten - Am Sonntag soll Schulz beim Bundesparteitag zum Parteichef gewählt werden
Berlin. Vor dem SPD-Parteitag am Sonntag in Berlin hat der designierte Parteichef Martin Schulz seine Forderung nach zusätzlichen Leistungen für die Qualifizierung von Arbeitslosen bekräftigt. Einem Ende der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger erteilte er allerdings eine Absage. Dies stieß bei Grünen und Linkspartei auf Kritik.
»Bei den Sanktionen geht es ja nicht um Schikanen«, sagte Schulz der »Rheinischen Post« vom Freitag. Vielmehr gehe es darum, »dass sich selbstverständlich auch Bezieher von Hartz IV an bestimmte Spielregeln halten und etwa verabredete Gesprächstermine einhalten«. Daher solle es bei den Sanktionen bleiben, wenn Leistungsempfänger ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Schulz wandte sich damit gegen Forderungen der Linkspartei, die auf ein Ende der Sanktionen dringt. Deren Spitzenkandidatin Sarah Wagenknecht sieht eine Abkehr von Hartz-IV als Voraussetzung für eine Beteiligung ihrer Partei an einer Regierung. »Hartz IV heißt Absturz in die Armut, und die Angst davor hat prekäre Jobs und niedrige Löhne wesentlich befördert«, sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Wer das nicht verändert, kann dieses Land nicht gerechter machen. Deshalb ist das für die LINKE auf jeden Fall eine Bedingung.«
Der früherer Parteivorsitzender und heutiger Fraktionschef im Saarland, Oskar Lafontaine, warf im Magazin »Fokus« der SPD vor, von einer Abkehr von der Agenda 2010 könne bei ihr »keine Rede sein«. Lafontaine äußerte sich daher skeptisch zu den Aussichten für ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund.
Kritik an Schulz äußerte auch der Grünen-Sozialexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: »Schulz zeigt den Langzeitarbeitslosen und Aufstockern die kalte Schulter«, warf er dem SPD-Kanzlerkandidaten vor. »Die Sanktionen müssen abgeschafft werden. Die Gewährung des Existenzminimums ist ein Grundrecht.«
Schulz bekräftigte aber seine Pläne für ein Arbeitslosengeld Q, mit dem die Qualifikation von Arbeitslosen verbessert werden soll. Ihm gehe es darum, »dass jemand, der arbeitslos geworden ist, möglichst schnell wieder einen guten Job bekommt«. Wie dies künftig bei der Bundesagentur für Arbeit organisiert werden könnte, ließ Schulz offen. Die Qualifizierung müsse aber »viel präziser auf die individuellen Stärken und Schwächen des einzelnen Arbeitslosen ausgerichtet werden« und sie müsse »den Bedarf des regionalen Arbeitsmarktes im Auge behalten«.
Das Arbeitslosengeld Q würde nach den Plänen des SPD-Kanzlerkandidaten auf eine längere Zahldauer des Arbeitslosengeldes hinauslaufen, da es nicht zu einem kürzeren Bezug des bestehenden ALG I führen soll. Außerdem will Schulz das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger auf 300 Euro pro Lebensjahr verdoppeln und sachgrundlose Befristungen von Arbeitnehmern beenden.
Zum Überschuss im Bundeshaushalt von zuletzt 15 Milliarden Euro sagte Schulz, das Geld solle vollständig in Investitionen fließen. »Wir brauchen eine deutlich höhere Investitionsquote. In Bildung und Ausbildung, in Infrastruktur, in Pflege«, sagte er der »Rheinischen Post«. Wenn man bei Investitionen »an der falschen Stelle spart, wird's nachher teurer«.
Aus der Union hatte es auch Forderungen gegeben, den Überschuss zu nutzen, um Steuersenkungen vorzuziehen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will das Geld zur Schuldentilgung verwenden. CDU/CSU-Fraktionsvize Ralf Brinkhaus erklärte in Berlin, nicht fehlende Finanzmittel seien derzeit bei Investitionen das Problem, sondern »fehlende Planungs- und Baukapazitäten«. Agenturen/nd
Schulz soll auf einem SPD-Bundesparteitag am Sonntag in Berlin zum SPD-Parteichef gewählt und als Kanzlerkandidat offiziell bestätigt werden. Seit seiner Nominierung haben sich die Umfragewerte der SPD drastisch auf wieder mehr als 30 Prozent verbessert.
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