Lafontaine: Im Saarland sieht es nach Rot-Rot aus

LINKE-Politiker schließt Regierungsamt aus / Regierungswechsel am 26. März sei möglich

  • Birgit Reichert, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.

Saarbrücken. Oskar Lafontaine ist ganz in seinem Element. Er strahlt, schüttelt Hände, begrüßt Leute. »Wo sind Sie beschäftigt? Wo kommen Sie her«, fragt er - und lässt sich zig Mal mit seinen Fans ablichten: Mit einer Polaroid-Kamera, die bei ihm im Wahlkampf kultmäßig immer zum Einsatz kommt. »Ich möchte auch ein Foto mit Oskar«, sagt Marliese Ebersoldt in Saarbrücken-Malstatt. Klick, schon hat sie eines - mit Unterschrift von Lafontaine. »Das Bild bekommt einen Ehrenplatz in meinem Wohnzimmer«, sagt der LINKE-Politiker stolz.

»Wahlkampf macht mir immer noch Spaß«, sagt Lafontaine. Momentan besonders: Denn der 73-Jährige ist bei der Linkspartei im Saarland als Spitzenkandidat im Rennen - und wittert wenige Tage vor der Landtagswahl am 26. März Morgenluft: »Es sieht so aus, als wenn der Regierungswechsel möglich wäre«, sagt er und meint das Ende der großen Koalition im Saarland. »Und als ob die SPD mit uns eine Mehrheit hätte.« Rot-Rot an der Saar - das wäre seine Wunschkombi, infrage komme aber auch Rot-Rot-Grün - wenn die Grünen in den Landtag kommen.

Politik-Vollprofi »Lafo« zieht an der Saar - immer noch. Er ist bekannt wie ein bunter Hund, macht er dort doch seit den 70er Jahren Politik. »Jeder zweite Saarländer hat von Lafontaine schon ein Foto. Tendenz steigend«, sagt sein Sprecher Martin Sommer. Eingefleischte Fans sammeln die Bilder sogar: »Ich habe jetzt mein zwanzigstes«, sagt Gerd Kröninger happy nach dem Shooting in Malstatt.

An der Saar kennt man Lafontaine eben, als Oberbürgermeister von Saarbrücken oder SPD-Ministerpräsident, SPD-Kanzlerkandidat, SPD-Vorsitzender - und seit 2009 als Chef der Linke-Fraktion im saarländischen Landtag. »Er hat so viel für unser Land getan«, sagt Kurt Allenbacher (88). Er habe Lafontaine immer gewählt.

Kein Wunder, dass die Linke erneut auf das »Ticket Lafontaine« setzt und ihn im Landtagswahlkampf zum dritten Mal an die Spitze stellt. »Gefühlt ist Oskar immer noch ein Plus von fünf Prozent«, sagt dessen Vertrauter Jochen Flackus, Wirtschaftsexperte und auf Platz zwei der Landesliste. Bei vorherigen Landtagswahlen holte »Oskar«, wie sie ihn fast alle nennen, deutlich mehr für die Linke als im Bundesschnitt: 2012 kam die Partei auf 16,1 Prozent, 2009 gar auf 21,3 Prozent.

Seine Partei braucht ihn, das gilt genauso umgekehrt. Ein Regierungsamt wolle er aber im Fall einer Koalitionsbeteiligung im Saarland nicht übernehmen. »Wenn man 50 Jahre in der Politik war, hat man genug Bestätigung. Ich mache das aus sozialem Engagement, das steht immer noch über allem.« Und zweitens für die Linke. »Das ist ja letztendlich mein Kind«, sagt er am Wahlkampfstand seiner Partei, an dem es saarländische Lyoner mit Senf und Baguette gibt.

Immer wieder geht es um Arbeitslosigkeit. »Die Agenda 2010 war ein Verbrechen. Sie muss rückabgewickelt werden«, sagt Lafontaine im Gespräch mit einem Mann. Mini-Korrekturen, wie SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sie vorschlage, genügten nicht. Ebenso nicht, nur Forderungen aufzustellen. Längeres Arbeitslosengeld, weniger befristete Arbeitsverträge, höhere Renten: »Das könnte übermorgen doch im Bundestag beschlossen werden und die SPD erklärt nicht, warum sie das nicht beschließt«, sagt er.

Dass die Linke womöglich mit der Begeisterung um Schulz Stimmen verloren hat, stört Lafontaine nicht. »Wir wollen ja ein möglichst gutes Ergebnis, aber man muss die Veränderung im Blick haben.« Er meint Rot-Rot an der Saar - und eine erste Landesregierung mit Beteiligung der Linken in einem westdeutschen Bundesland.

Ob ihn die Bundespolitik noch mal reizen würde? »Das würde mich schon jucken, aber ich muss ja realistisch mein Alter sehen und meine Möglichkeiten. Meine Frau (Sahra Wagenknecht) ist ja Spitzenkandidatin für die Linke. Wenn ich da jetzt käme, dann würden die Leute sagen: «Will der sich jetzt auch noch wichtigmachen».«

Ein rot-rotes oder rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene kann sich Lafontaine derzeit nicht vorstellen. »Es ist grundsätzlich möglich. Aber mir fehlt bei der SPD die Leidenschaft für das Soziale.« Zudem seien die programmatischen Unterschiede zwischen Linke und Sozialdemokraten in der Friedenspolitik zu groß.

Fürs kleine Saarland aber kämpft Lafontaine dafür mit umso mehr Herzblut: für eine Verhinderung von Übernahmen von Saar-Firmen »durch Finanzhaie«, einen Stopp »der Zerstörung unserer Landschaft durch Windmühlen«, Unternehmensbeteiligungen für Arbeitnehmer und Investitionen in die Forschung. Und das Programm sei mit der SPD am besten umzusetzen. »Da sind unsere Überschneidungen am stärksten.« dpa

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