Eine Werkhalle statt einer Garage
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht eröffnet einen Gründercampus in Siemensstadt
Benjamin Thies gießt das kalte, braune Getränk in dünne Gläser. Weil die Aromen des Kaffees beim Erhitzen verloren gehen, so die These des Berliner Start-ups, biete man den Kaffee einfach kalt an. »Das kann man auch zu Hause machen«, sagt Thies, um dann noch einmal werbetauglicher nachzuschieben: »Wir wollen die Club Mate Berlins werden.«
»Ist das nicht einfach kalter Kaffee?«, fragt ein Siemens-Mitarbeiter, der in der Halle seine Runde dreht. Hier, am Rohrdamm 88, kann sich die 170 Jahre alte Firma Seite an Seite mit der jungen Unternehmergeneration präsentieren: An diesem Montag eröffnet offiziell der Gründungscampus Siemensstadt der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR).
Siemens vermietet der Hochschule seit Januar Hallen und Räume, die das Unternehmen nicht mehr braucht, »zu sehr günstigen Konditionen«, sagt Christian Gurol, Leiter des Gründungszentrums der Hochschule. Zsolt Sluitner, CEO der Siemens Real Estate, führt aus, um was für Räume es sich handelt: Büroplätze, Küchennischen, Veranstaltungsräume und Werkstätten, ausgestattet mit modernster IT. Was die Kooperation genau bedeute, dazu müssten noch »Formate entwickelt« werden, sagt Sluitner. »Da wird noch verhandelt«, sagt Gurol. »Die Idee ist, dass wir auf die Technologie von Siemens zugreifen können, zum Beispiel ihre 3-D-Drucker.«
Wie genau Siemens kalten Kaffee verwerten kann? »Das ist sicher nicht unser Kerngeschäft«, sagt Andre Emmermacher, Personalleiter bei Siemens. Dem Unternehmen gehe es vielmehr um den Gründergeist der jungen Menschen: »Wenn wir einen von zehn für unser Unternehmen gewinnen können, haben wir schon gewonnen.«
Und was hat die Hochschule von der neuen Kooperation - Fördermittel, Ansehen, bessere Studenten? Gurol schüttelt den Kopf. Es gehe der Hochschule nicht um Geld, sagt er: »Wir wollen die Gesellschaft unterstützen.«
Neben dem Kaffee reihen sich neun weitere Start-ups auf, die sich dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) präsentieren, heute in seiner Funktion als Wissenschaftssenator. Sie werden mehrheitlich vom »Berliner Startup Stipendium« gefördert, das erstmalig im Dezember von der HWR vergeben wurde, zusammen mit der Universität der Künste, der Beuth Hochschule für Technik sowie der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Bis zu drei Gründerinnen pro Start-up werden hier mit 1500 Euro pro Monat gefördert, für sechs Monate, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere sechs.
Manche Start-ups der HWR bekommen jedoch auch Geld vom Bund. So zum Beispiel ein Unternehmen, dass es Menschen ermöglicht, sich fotografisch in jeden Hintergrund hinein zu kopieren, zum Beispiel in einen Star-Wars-Film. Diese Idee wird von »EXIST« gefördert, das Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums. Absolventen mit Hochschulabschluss bekommen hier 2500 Euro im Monat.
Was die Gründer vom neuen Campus haben, fasst Eric Grieben zusammen: »Erstens: Wir haben ein Büro. In einer Garage lässt sich nicht wirklich ein Unternehmen gründen. Zweitens: Wir treffen auf andere Start-ups. Wir sind hier rund 25 Gründerteams. Und drittens: Wir können potenzielle Nutzer hierhin einladen, unser Produkt zu testen.«
Müller nannte den Campus in seinem Grußwort dann auch einen »wichtigen, neuen Zukunftsort«, der die bisherigen Angebote ergänze. Denn Gründerzentren gibt es bereits viele: das der Humboldt-Universität in Adlershof, das Technologie- und Gründungszentrum Dahlem, das zur Freien Universität gehört, sowie weitere in Buch und Charlottenburg.
Müller sprach auch Probleme der Szene an, indem er auf die im Dezember vorgestellte Evaluation der Hochschul-Start-ups verwies, wonach 2015 nur 28 Prozent der Gründer Frauen waren (»nd« berichtete). Außerdem setzten die meisten Unternehmen auf »bewährte Konzepte«, »echte Neuerungen« müssten stärker unterstützt werden.
Der Gründerradar vom Stifterverband, der die Profile deutscher Hochschulen vergleicht, hatte die HWR jüngst zur zweitbesten Gründungshochschule Berlins ausgerufen, nach der Technischen Universität. Bundesweit landete sie bei mittelgroßen Hochschulen auf dem elften Platz.
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