TV-Debatte: Mélenchon will Präsidenten entmachten
Keine großen Überraschungen bei Fernsehdiskussion der französischen Präsidentschaftskandidaten / Kommentatoren sehen Macron vorne
Einen Monat vor dem ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl sind am Montagabend die fünf aussichtsreichsten Kandidaten in einer Fernsehdebatte aufeinander gestoßen. Teilnehmer waren die Rechtsextreme Marine Le Pen, der ehemalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der ehemalige rechte Premier François Fillon sowie der Spitzenkandidat Benoît Hamon der Parti socialiste (PS) und der Linksfrontpolitiker Jean-Luc Mélenchon.
Noch nie zuvor hatte es eine solche Debatte vor dem ersten Wahlgang gegeben. Dass der private Fernsehsender TF1 dazu nicht auch die sechs »kleinen« Kandidaten eingeladen hat, die ebenfalls auf der am Sonnabend vom Verfassungsrat vorgelegten offiziellen Liste aller zugelassenen Präsidentschaftskandidaten stehen, stieß auf viel Kritik in der Öffentlichkeit. Auch Fillon, Macron und Le Pen kritisierten das zu Beginn der Debatte. Eine Fernsehdebatte mit allen elf Kandidaten wird am 4. April bei einem Privatsender und am 20. April, also drei Tage vor dem ersten Wahlgang, beim öffentlich-rechtlichen Fernsehsender France2 stattfinden. Die Fernsehdebatte vom Montag haben 9,8 Millionen Zuschauer verfolgt. Das sind doppelt so viele wie bei der Vorwahldebatte der Rechten und dreimal so viele wie bei jener der Linken.
Fast dreieinhalb Stunden lang diskutierten die Kandidaten zunächst über Themen der Gesellschaft, dann über wirtschaftliche und soziale Fragen und schließlich auch noch kurz – weil die anderen Themen über das Zeitlimit hinausgegangen waren – über internationale Probleme. Der Meinungsaustausch war offensiv, blieb aber meist höflich. Die Politskandale, in die Fillon und Le Pen verstrickt sind, wurden nicht erwähnt. Es gab nur einige kurze polemische Auseinandersetzungen. So als Marine Le Pen oder François Fillon versuchten, ihren gefährlichsten Gegenspieler, Emmanuel Macron, zu provozieren oder zu destabilisieren. Obwohl dieser über wenig politische Erfahrung verfügt, hat er sich souverän behaupten können. Und er hat, so die übereinstimmende Einschätzung der Kommentatoren, von allen Teilnehmern den stärksten Eindruck hinterlassen. Alle Kandidaten waren sich offensichtlich im Klaren, dass von ihrem Auftreten viel für die Meinungsbildung vieler noch unentschlossener Wähler abhing. Umfragen zufolge sind 40 Prozent der Franzosen noch nicht sicher, ob sie wählen gehen, und von den restlichen 60 Prozent weiß die Hälfte noch nicht, für wen sie stimmen wird.
Da alle Kandidaten im Rahmen ihrer bekannten Positionen blieben, gab es keine Überraschungen, doch wurden durchaus Schwerpunkte gesetzt. Besonders scharf wurde von allen anderen Teilnehmern die FN-Parteivorsitzende Le Pen attackiert. Benoît Hamon warf ihr vor, »die Schule als Geisel des Rassismus zu nehmen« mit ihrer Behauptung, die vielen Ausländer seien schuld an den schlechten Französisch-Kenntnissen vieler Schüler. Emmanuel Macron setzte sich besonders mit ihren Unterstellungen über die durch Ausländer verschuldete Unsicherheit und die Untergrabung der Laizität im öffentlichen Leben auseinander. Und François Fillon warnte vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des von Le Pen angestrebten Austritts aus der EU und dem Euro.
Der konservative Fillon betonte, er wolle durch eine konsequente Restrukturierungs- und Investitionspolitik einen »neuen Aufschwung für Frankreich« erreichen und das Land innerhalb von zehn Jahren zur Nummer eins in Europa machen. Als einziger der fünf Teilnehmer will er die 35-Stunden-Arbeitswoche abschaffen.
Der 39-Jährige Macron will eine »pragmatische« Politik verfolgen und setzt dabei auf die Überwindung der traditionellen Grenzen der antagonistischen Lager in der politischen Landschaft und auf die Mobilisierung ganz neuer, nicht durch jahrelange Politikerkarrieren belasteter Leute. Benoît Hamon verteidigte sein wichtigstes Ziel: das Grundeinkommen für jedermann. Was von den anderen Diskutanten als »illusorisch« und »nicht finanzierbar« abgelehnt wurde. Jean-Luc Mélenchon will mit der »präsidentiellen Monarchie« in Frankreich Schluss machen. Als neu gewählter Präsident werde er umgehend eine Konstituierende Versammlung einberufen, damit diese eine Verfassung für eine neue, sechste Republik ausarbeitet und beschließt.
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